Nießbrauchrecht ermitteln: Schritt-für-Schritt

Der Nießbrauch stellt ein höchstpersönliches Recht dar. Er ist also nicht vererbbar und grundsätzlich nicht übertragbar. Inhaltlich gewährt er dem Berechtigten die Befugnis, sämtliche Nutzungen aus dem belasteten Objekt zu ziehen. Dieses Objekt kann sowohl eine Sache, beweglich oder unbeweglich, als auch ein Recht sein. Bei Grundstücken regeln die §§ 1030 ff. BGB die Einzelheiten. § 1030 Abs. 1 BGB legt fest, dass eine Sache so belastet werden kann, dass der Berechtigte berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen. Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit, den Nießbrauch auf bestimmte Nutzungen zu beschränken. Belastet werden können Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte sowie bewegliche Sachen. Der Nießbrauch erstreckt sich nach §§ 93 ff. BGB grundsätzlich auch auf die wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks.

Das Wichtigste in Kürze

Der Nießbrauch entsteht im Regelfall durch Einigung zwischen Eigentümer und Nießbraucher sowie Eintragung ins Grundbuch (vgl. § 873 BGB). Der Nießbrauch erlaubt es dem Berechtigten, sämtliche Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen. Der Eigentümer hat diese Nutzung zu dulden, schuldet dem Nießbraucher jedoch keine eigenen Leistungen. Der Nießbraucher ist gemäß § 1059 BGB befugt, das Grundstück zu vermieten oder zu verpachten, ohne dass es hierzu der Zustimmung des Eigentümers bedarf. Bei bereits bestehenden Miet- und Pachtverhältnissen tritt der Nießbraucher auf Gläubigerseite in die laufenden Vertragsverhältnisse ein. Die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs endet spätestens mit seinem Erlöschen. 

Der Nießbrauch endet:

  • durch rechtsgeschäftliche Aufhebung (§ 875 BGB),

  • aufgrund gesetzlicher Regelungen, etwa mit dem Tod des Berechtigten (§ 1061 BGB),

  • oder bei Vereinigung von Eigentum und Nießbrauch in einer Person (§ 1064 BGB).

Grundsätzlich ist der Nießbrauch nicht übertragbar (§ 1059 BGB). Damit sind auch Vererbbarkeit, Belastbarkeit und Pfändbarkeit ausgeschlossen.

1.Grundidee der Bewertung

Der wirtschaftliche Nachteil des Eigentümers bei Belastung mit einem Nießbrauch wird durch die Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags ermittelt. Der Nießbrauch wird wirtschaftlich so behandelt, als würde der Eigentümer dem Berechtigten das Recht einräumen, die Immobilie lebenslang vollständig zu nutzen und die hieraus erzielbaren Erträge zu vereinnahmen, während der Eigentümer selbst von bestimmten laufenden Aufwendungen entlastet wird.

Der Nießbrauch entspricht ökonomisch einer lebenslangen, regelmäßig wiederkehrenden Nettozahlung, die vom Eigentümer auf den Nießbraucher übergeht. Gleichzeitig entsteht ein wirtschaftlicher Vorteil für den Eigentümer, weil der Nießbraucher die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten trägt.

Daraus folgt für die Bewertung:

 

Schritt Beschreibung
Ermittlung des fiktiven jährlichen Rohertrags Zunächst wird der jährliche Rohertrag bestimmt, den der Eigentümer bei unbelastetem Eigentum durch Vermietung oder Eigennutzung erzielen könnte.
Ermittlung der nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten Anschließend werden die jährlichen, nicht auf Mieter abwälzbaren Bewirtschaftungskosten (z. B. Verwaltung, Instandhaltung, ggf. Mietausfallwagnis) ermittelt, die ohne Nießbrauch den Eigentümer belasten würden, nun aber regelmäßig vom Nießbraucher zu tragen sind.
Bestimmung des Leibrentenbarwertfaktors (LBF) Danach wird der Leibrentenbarwertfaktor ermittelt. Er gibt an, welchen heutigen Kapitalwert eine lebenslange, jährlich wiederkehrende Zahlung von einem Euro hat.
Barwertberechnung – wirtschaftlicher Nachteil Der Barwert des wirtschaftlichen Nachteils des Eigentümers ergibt sich aus:
jährlicher Rohertrag × LBF.
Barwertberechnung – wirtschaftlicher Vorteil Der Barwert des wirtschaftlichen Vorteils aus der Entlastung von nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten ergibt sich aus:
jährliche nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten × LBF.
Barwert des Nießbrauchs (Belastung) Maßgeblich für die Verkehrswertermittlung ist der Saldo aus Nachteil und Vorteil:

Barwert des Nießbrauchs
= Barwert des wirtschaftlichen Nachteils
– Barwert des wirtschaftlichen Vorteils

= (jährlicher Rohertrag × LBF) – (nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten × LBF)

2. Die wichtigsten Parameter im Überblick

Für die Bewertung eines Nießbrauchrechts sind vier zentrale Parameter maßgeblich.

Alter der berechtigten Person

Es wird das vollendete Lebensalter beider Nießbrauchsberechtigten am Bewertungsstichtag zugrunde gelegt.

Grundlage bilden die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts, wobei für die Bewertung des Nießbrauchs auf zwei Leben die Restlebenserwartung der letztversterbenden Person maßgeblich ist.

Mit zunehmendem Alter der Berechtigten verkürzt sich die gemeinsame Restlebenserwartung. Dadurch sinkt der Leibrentenbarwertfaktor und der Barwert des Nießbrauchs wird geringer. Bei zwei Personen wirkt sich insbesondere die Konstellation der Altersstruktur (ähnliches Alter oder eine deutlich jüngere Person) auf die Höhe des Leibrentenbarwertfaktors aus.

Zinssatz

Der Zinssatz dient dazu, die künftigen, aus dem Nießbrauch zufließenden Rentenzahlungen, bei zwei Berechtigten auf das (gemeinsame) letzte Leben, auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen.

Er bildet ab, wie stark zukünftige Zahlungen im Vergleich zu heutigen Zahlungen an Wert verlieren. Je höher der Zinssatz, desto stärker werden die künftigen Nießbrauchserträge abgezinst, desto niedriger ist der Leibrentenbarwertfaktor und damit auch der Barwert des Nießbrauchs für zwei Personen.

In der Bewertungspraxis orientiert sich der anzusetzende Zinssatz an einer risikoarmen, langfristigen Kapitalverzinsung. Häufig wird hierzu der Liegenschaftszinssatz des örtlich zuständigen Gutachterausschusses herangezogen, um die Bewertung des Nießbrauchs marktgerecht zu fundieren.

Zahlungsweise: vorschüssig oder nachschüssig

Bei vorschüssigen Zahlungen wird die aus dem Nießbrauch abgeleitete Rente jeweils zu Beginn der Zahlungsperiode gezahlt, etwa am 1. Januar eines Jahres.
Bei nachschüssigen Zahlungen erfolgt die Zahlung dagegen am Ende der Periode.

Finanzmathematisch bedeutet dies:

  • Eine vorschüssige Zahlung fließt früher zu und kann daher länger verzinst werden.

  • Deshalb ist der vorschüssige Leibrentenbarwertfaktor grundsätzlich höher als der nachschüssige.

Für die Bewertung von Nießbrauchsrechten, unabhängig davon, ob eine oder zwei Personen berechtigt sind, wird in Analogie zur Miete regelmäßig von einer monatlichen vorschüssigen Zahlung ausgegangen, also einer Zahlung jeweils zu Beginn eines Monats.

Anzahl der Zinsperioden im Jahr

Dieser Parameter beschreibt die Zahlungsfrequenz der aus dem Nießbrauch abgeleiteten Rentenzahlungen:

  • 12 Zinsperioden pro Jahr: monatliche Zahlungen

  • 4 Zinsperioden pro Jahr: vierteljährliche Zahlungen

  • 1 Zinsperiode pro Jahr: jährliche Zahlung

Je häufiger die Zahlungen erfolgen, desto früher fließen die Zahlungsströme zu und desto geringer ist die Abzinsung der einzelnen Teilbeträge. Dies führt finanzmathematisch zu einem etwas höheren Barwert des Nießbrauchs, unabhängig davon, ob ein- oder zwei Personen berechtigt sind.

3. Leibrentenbarwertfaktor (LBF) verstehen

Der Leibrentenbarwertfaktor bildet den zentralen rechnerischen Ansatzpunkt für die Bewertung des Nießbrauchs.

Definition

Der Leibrentenbarwertfaktor (LBF) gibt an, welchen heutigen Wert eine lebenslange, regelmäßig wiederkehrende Zahlung von einem Euro hat, die aus einem Nießbrauch resultiert.

Er berücksichtigt insbesondere:

  • die Restlebenserwartung der berechtigten Person (bzw. der letztversterbenden Person bei mehreren Nießbrauchsberechtigten),

  • den gewählten Zinssatz als Diskontierungsfaktor,

  • die Zahlungsweise (vorschüssig/nachschüssig) sowie die Zahlungsfrequenz.

Mit Hilfe des LBF lässt sich der Kapitalwert eines Nießbrauchsrechts bestimmen. Die Nutzungsdauer des Nießbrauchs wird dabei an die Lebenserwartung der berechtigten Person(en) gekoppelt.

Mathematische Darstellung

Die nachfolgende Formel zeigt die Berechnung des Leibrentenbarwertfaktors. In der praktischen Immobilienbewertung werden die Werte jedoch nicht manuell berechnet. Die Gutachter greifen auf Tabellen und Rechentools der Gutachterausschüsse (oftmals Kiel) zurück.

4. Praktische Anwendung des Leibrentenbarwertfaktors bei der Bewertung von Nießbrauchsrechten

Viele Gutachterausschüsse stellen für die Bewertung von Nießbrauchsrechten bereits vorbereitete Tabellen oder Excel-Tools zur Verfügung, mit denen der Leibrentenbarwertfaktor (LBF) direkt abgelesen bzw. berechnet werden kann. Die im Beispiel herangezogenen LBF-Werte stammen aus den Berechnungsunterlagen des Gutachterausschusses Kiel.

Eingabe in die Excel des Gutachterausschusses Kiel

In der Excel-Anwendung erfolgt die Bestimmung des Leibrentenbarwertfaktors (LBF) für einen Nießbrauch mit zwei Berechtigten, bspw. Mann und Frau, üblicherweise in folgenden Schritten:

  1. Auswahl des Geschlechts beider Nießbrauchsberechtigten
    Es wird getrennt nach Mann und Frau gearbeitet, da sich die Lebenserwartung geschlechtsspezifisch unterscheidet.

  2. Eingabe des jeweils vollendeten Lebensalters am Bewertungsstichtag
    Für beide Personen wird das vollendete Alter erfasst. Die Berechnung des LBF erfolgt dann auf Basis der gemeinsamen Restlebenserwartung (maßgeblich ist regelmäßig das Leben der letztversterbenden Person).

  3. Eingabe des Zinssatzes
    In der Regel wird der Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschusses verwendet, im unteren Beispiel 2,00 %. Dieser Zinssatz dient der Abzinsung der künftigen Nießbrauchserträge.

  4. Festlegung der Zahlungsweise (vorschüssig/nachschüssig)
    Es wird entschieden, ob die aus dem Nießbrauch abgeleiteten Rentenzahlungen zu Beginn (vorschüssig) oder am Ende (nachschüssig) der Zahlungsperiode erfolgen. In Analogie zur Miete wird bei Nießbrauch in der Praxis regelmäßig eine vorschüssige Zahlung unterstellt.

  5. Auswahl der Zahlungsfrequenz / Zinsperioden pro Jahr
    Es wird die Anzahl der Zinsperioden festgelegt, z. B. 12 Perioden pro Jahr bei monatlicher Zahlung.

Die Excel-Anwendung ermittelt zunächst einen jährlichen Leibrentenbarwertfaktor für eine vorschüssige Zahlung, der sich auf eine einmal jährlich im Voraus gezahlte Leibrente von einem Euro bezieht und die gemeinsame Lebenserwartung von Mann und Frau berücksichtigt.

Excel-Tabellen des Gutachterausschusses Kiel 

Auzug aus der Excel des Gutachterausschusses Kiel

5. Umrechnung des jährlichen in einen monatlichen Leibrentenbarwertfaktor beim Nießbrauch

Da der Nießbrauch in der Praxis regelmäßig als monatlich zufließender Nutzungsvorteil (vergleichbar einer Mietersparnis) verstanden wird, ist der zunächst ermittelte jährliche Leibrentenbarwertfaktor auf monatliche Zahlungsweisen umzurechnen.

Hierfür wird ein entsprechender Umrechnungs- bzw. Korrekturfaktor verwendet, mit dem der jährliche LBF an die monatliche Nießbrauchszahlung angepasst wird.

Ausgangswert: jährlicher LBF

Ausgangswert: jährlicher Leibrentenbarwertfaktor (Nießbrauch Mann–Frau)

Parameter Wert
Personenkonstellation Nießbrauch Mann–Frau (verbundene Leibrente bis zum Tod der letztversterbenden Person)
Alter des Mannes 83 Jahre
Alter der Frau 79 Jahre
Zinssatz 2,00 %
Zahlungsweise vorschüssig
Anzahl der Zinsperioden im Jahr 12 (monatliche Zahlungen)
Leibrentenbarwertfaktor (jährlich vorschüssig, verbundene Leibrente Mann–Frau) 10,6729

Der jährliche Leibrentenbarwertfaktor für den Nießbrauch (verbundene Leibrente Mann–Frau) beträgt in diesem Beispiel 10,6729. Das bedeutet: Eine jährlich im Voraus gezahlte verbundene Leibrente von 1,00 Euro bis zum Tod der letztversterbenden Person hat bei diesen Parametern einen Barwert von 10,6729 Euro.

Korrektur auf monatliche Zahlweise

Korrektur auf monatliche Zahlweise beim Nießbrauch

Für die Bewertung von Nießbrauchsrechten wird der Nutzungsvorteil in der Regel als monatlich zufließende „Mietersparnis“ interpretiert. Die Zahlungszeitpunkte liegen somit dichter beieinander, das Geld fließt häufiger zu und wird weniger stark abgezinst. Um diesen Effekt abzubilden, verwenden die Gutachterausschüsse empirisch ermittelte Korrekturwerte. Im Beispiel wird ein Korrekturfaktor von 0,4616 angesetzt.

Rechenschritt Wert
LBF jährlich vorschüssig (verbundene Leibrente Mann–Frau) 10,6729
abzüglich Korrekturfaktor für monatliche Zahlweise – 0,4616
ergibt LBF korrigiert (monatlich vorschüssig) 10,2113

Das Minuszeichen ergibt sich aus der rechnerischen Umstellung von einer jährlich vorschüssigen Leibrente auf eine monatlich vorschüssige Leibrente. Die Korrekturwerte werden von den Gutachterausschüssen standardisiert vorgegeben und müssen nicht selbst hergeleitet werden.

Der korrigierte Leibrentenbarwertfaktor von 10,2113 bedeutet: Eine monatlich vorschüssig gezahlte Nießbrauchsrente mit einem Jahresbetrag von 1,00 Euro hat bei diesen Parametern einen Barwert von 10,2113 Euro.

6. Nießbrauchrecht bewerten

Im nächsten Abschnitt werden die einzelnen Berechnungsschritte zu einem Gesamtvorgehen zusammengeführt.

Beispielrechung
Schritte Beschreibung
Schritt 1: Datenerhebung Zunächst werden alle relevanten Informationen zum Nießbrauch erfasst:
  • Geschlecht und Alter der beiden Nießbrauchsberechtigten (Mann und Frau)
  • Höhe der jährlich erzielbaren Nettokaltmieten (entgangene Nettoeinnahmen des Eigentümers)
  • jährliche, nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten (z. B. Verwaltung, Instandhaltung)
  • marktgerechter Liegenschaftszinssatz bzw. individueller Zinssatz gemäß Gutachterausschuss
Schritt 2: Liegenschaftszinssatz festlegen Der Zinssatz dient als Diskontierungszins für die künftigen Nießbrauchszahlungen. Im Beispiel wird der vom Gutachterausschuss abgeleitete Liegenschaftszinssatz von 2,00 % verwendet.
Schritt 3: Leibrentenbarwertfaktor bestimmen Im Rechentool bzw. in der Tabelle des Gutachterausschusses werden folgende Angaben gemacht:
  • Alter des Mannes: 83 Jahre
  • Alter der Frau: 79 Jahre
  • Zinssatz: 2,00 %
  • Zahlungsweise: vorschüssig
  • Zahl der Zinsperioden im Jahr: 12 (monatliche Zahlweise)
Daraus ergibt sich für die verbundene Leibrente (Mann–Frau, bis zum Tod der letztversterbenden Person) ein korrigierter Leibrentenbarwertfaktor (LBF) von:
LBF korrigiert = 10,2113
Schritt 4: jährlichen Rohertrag und Bewirtschaftungskosten ermitteln Anschließend werden die für den Nießbrauch relevanten Jahresbeträge bestimmt.

Im Beispiel:
  • entgangene Nettokaltmieten (Jahresrohertrag): 53.380,56 €/Jahr
  • jährliche, nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten: 13.960,67 €/Jahr
Schritt 5: Barwert des Nießbrauchs und Werteinf luss bestimmen Der Leibrentenbarwertfaktor wird nun auf die Jahresbeträge angewendet.

Wirtschaftlicher Nachteil des Nießbrauchs für den Eigentümer (entgangene Nettomieten):
53.380,56 €/Jahr × 10,2113 = 545.084,91 €

Wirtschaftlicher Vorteil des Nießbrauchs für den Eigentümer (Entfall nicht umlagefähiger Bewirtschaftungskosten):
13.960,67 €/Jahr × 10,2113 = 142.556,59 €

Saldo des Nießbrauchs (Werteinfluss des Rechts):
545.084,91 € - 142.556,59 € = 402.528,32 €

Dieser Betrag stellt den wertmindernden Einfluss des Nießbrauchs auf das unbelastete Grundstück dar und wird vom marktangepassten vorläufigen Verfahrenswert des unbelasteten Grundstücks abgezogen.

7. Berücksichtigung der allgemeinen Wertverhältnisse durch eine Marktanpassung

(im Hinblick auf den Nießbrauch für das belastete Grundstück § 47 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV; vgl. auch Nr. 47.5 ImmoWertA)

Neben der rein finanzmathematisch ermittelten Größe im Rahmen der wirtschaftlichen Wertermittlung ist in der Regel ein Marktanpassungsabschlag zu berücksichtigen. Hintergrund ist vor allem die verbleibende Unsicherheit, ob die berechtigte Person tatsächlich so lange lebt, wie es die auf Sterbetafeln basierenden Leibrentenbarwertfaktoren unterstellen.

Zudem ist zu prüfen,

  • wie hoch die wirtschaftliche Wertminderung im Verhältnis zum unbelasteten Verkehrswert ausfällt und

  • wie sich das konkrete Immobilienangebot am jeweiligen Teilmarkt darstellt.

Der Marktanpassungsabschlag lässt sich jedoch nicht exakt berechnen. Er kann lediglich auf Basis der wertrelevanten Einflussgrößen eingeschätzt werden, also ob er im Einzelfall eher hoch oder eher niedrig ausfallen dürfte. Orientierung bieten insbesondere folgende Tendenzen:

  • Je länger die voraussichtliche Restlaufzeit des Nießbrauchs, desto größer ist das Risiko aus Sicht des Käufers und desto höher fällt in der Regel die Marktanpassung aus.

  • Je stärker die wirtschaftliche Wertminderung im Verhältnis zum unbelasteten Verkehrswert, desto ausgeprägter ist typischerweise der Marktanpassungsabschlag.

  • Je größer das Angebot an unbelasteten Immobilien, desto eher weichen Kaufinteressenten auf solche Objekte aus; der Abschlag für das belastete Objekt steigt. Bei knappem Angebot und hoher Nachfrage werden dagegen auch mit Nießbrauch belastete Immobilien nachgefragt, was den Marktanpassungsabschlag reduziert.

Der Marktanpassungsabschlag ist daher stets objekt- und fallspezifisch festzulegen und richtet sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Bewertungsanlasses. Zur möglichst realitätsnahen Herleitung des Abschlags kann insbesondere der Einsatz eines Zielbaumverfahrens dienen, das die maßgeblichen Einflussfaktoren systematisch abbildet und gewichtet.

8. Praxishinweise

Zum Abschluss eine Zusammenfassung zum Nießbrauch:

  1. Der Nießbrauch ist ein dingliches Nutzungsrecht (höchstpersönliche Dienstbarkeit) und führt regelmäßig zu einer Wertminderung der belasteten Immobilie.

  2. Bewertet wird der wirtschaftliche Einfluss auf den Eigentümer. Also der Saldo aus entgangenen Nettomieten (Nachteil) und ersparten nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten (Vorteil), nicht das Recht in abstrakter Form.

  3. Der wirtschaftliche Nachteil entspricht dem Barwert der entgangenen Nettoerträge, die der Eigentümer ohne Nießbrauch aus der Immobilie erzielen könnte.

  4. Der Leibrentenbarwertfaktor bildet Lebenserwartung (ggf. beider Berechtigten), Zinssatz, Zahlungsweise und Zahlungsfrequenz ab und ist das zentrale Recheninstrument der Nießbrauchbewertung.

  5. Die hierzu erforderlichen Faktoren und Korrekturwerte (z. B. für monatliche Zahlweise oder verbundene Leibrenten Mann–Frau) werden von den Gutachterausschüssen bereitgestellt und müssen nicht selbst hergeleitet werden.

  6. Der ermittelte Barwert des Nießbrauchs wird im Gutachten als Abzug vom unbelasteten Ertrags- bzw. Verkehrswert angesetzt und stellt so die marktgerechte Wertminderung des Grundstücks dar.

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