Erbbaurecht ermitteln: Schritt-für-Schritt

Das Erbbaurecht ist ein etabliertes Instrument des deutschen Immobilienrechts, das insbesondere bei hohen Bodenpreisen eine Alternative zum klassischen Grundstückskauf darstellt. Anstelle des Erwerbs eines Grundstücks erwirbt der Berechtigte das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten und zu nutzen für einen langen, vertraglich festgelegten Zeitraum und gegen Zahlung eines regelmäßigen Erbbauzinses. Dieses Konstrukt stellt eine Ausnahme vom Grundsatz dar, dass Gebäude fest mit dem Grund und Boden verbunden sind. Stattdessen trennt das Erbbaurecht Boden- und Gebäudeeigentum rechtlich voneinander.

Der Verkehrswert eines Erbbaurechts ist der Preis, der am Wertermittlungsstichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für das Erbbaurecht als selbständiges, grundbuchlich gesichertes Recht voraussichtlich erzielt werden kann. Er ergibt sich also aus Angebot und Nachfrage nach solchen Rechten. Empirisch ist bekannt, dass Immobilien mit Erbbaurecht meist deutlich geringere Kaufpreise erzielen als vergleichbare Objekte auf eigenem Grund. Studien und Marktdaten zeigen Wertabschläge, die oft im Bereich von 20–40 % liegen können, in ungünstigen Fällen bei kurzer Restlaufzeit und hohem Erbbauzins auch darüber. 

Das Wichtigste in Kürze

Das Erbbaurecht ist ein dingliches, grundstücksgleiches Recht, das es seinem Inhaber ermöglicht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu errichten und zu besitzen. Die gesetzliche Definition findet sich in § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Erbbaurecht (Erbbaurechtsgesetz – ErbbauRG): „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben.“ Dieses veräußerliche und vererbliche Recht wird als Erbbaurecht bezeichnet und begründet ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht am Grundstück.

Das Erbbaurecht wurde in Deutschland im Jahr 1919 eingeführt. Ziel war es unter anderem, breiteren Bevölkerungsschichten das Bauen zu ermöglichen, ohne dass sie Grundeigentum erwerben mussten. Charakteristisch für das Erbbaurecht ist seine lange Laufzeit. Üblich sind Vertragslaufzeiten zwischen ca. 30 und 99 Jahren, häufig 60 bis 99 Jahre. Damit wird das Erbbaurecht oft als "Eigentum auf Zeit". Während der Laufzeit hat der Erbbauberechtigte nahezu eigentümerähnliche Rechte am Bauwerk. Wichtig ist jedoch, dass das Erbbaurecht befristet ist. Nach Ablauf der vereinbarten Dauer fällt das Bauwerk grundsätzlich an den Grundstückseigentümer zurück (Heimfall). Damit unterscheidet sich das Erbbaurecht grundlegend vom unbefristeten Volleigentum an Grundstück und Gebäude.

Als grundstücksgleiches Recht wird das Erbbaurecht in das Grundbuch eingetragen. Konkret erfolgt eine Eintragung zweifach. Erstens wird im Grundbuch des belasteten Grundstücks vermerkt, dass ein Erbbaurecht an diesem Grundstück besteht (dingliche Belastung des Grundstücks). Zweitens wird ein eigenes Erbbaugrundbuch für das Erbbaurecht angelegt, in dem der Erbbauberechtigte als "Eigentümer" des Erbbaurechts und alle das Erbbaurecht betreffenden Belastungen eingetragen werden. In der Praxis akzeptieren Banken Erbbaurechte als Kreditsicherheit, indem z. B. Grundschulden im Erbbaugrundbuch eingetragen werden. 

1. Abgrenzung zum Volleigentum und wesentliche Merkmale

Im klassischen Grundstückseigentum bilden Boden und Gebäude eine untrennbare Einheit im Eigentum ein und derselben Person. Beim Erbbaurecht dagegen kommt es zu einer rechtlichen Trennung. Der Grundstückseigentümer, oft auch Erbbaurechtsgeber genannt, bleibt Eigentümer des Grund und Bodens, während der Erbbauberechtigte Eigentümer des Bauwerks ist.

Zeitliche Befristung

Das Erbbaurecht ist stets zeitlich begrenzt. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit erlischt es, und das Bauwerk fällt grundsätzlich an den Grundstückseigentümer zurück. Dieses Ereignis wird als Heimfall bezeichnet. Demgegenüber ist das normale Grundeigentum zeitlich unbegrenzt und wird nur durch freiwillige Veräußerung oder Enteignung beendet. Die Befristung des Erbbaurechts wirkt sich wertmindernd auf die Immobilie aus, besonders wenn die Restlaufzeit gering ist. Je kürzer die Restlaufzeit des Erbbaurechts, desto stärker wirkt sich die zeitliche Begrenzung wertmindernd aus. Mit abnehmender Restlaufzeit steigt also der Abschlag gegenüber dem Wert eines vergleichbaren Grundstücks im Volleigentum.

Erbbauzins

Anstelle eines einmaligen Grundstückskaufpreises entrichtet der Erbbauberechtigte einen regelmäßigen Erbbauzins an den Grundstückseigentümer. Dieser ist das Entgelt für die Grundstücksnutzung und wird meist jährlich in vereinbarten Raten gezahlt. Typischerweise bemisst sich der Erbbauzins in Prozent des Bodenwerts und lag in vielen Verträgen traditionell bei etwa 3–5 % des aktuellen Bodenwerts pro Jahr. Beispielsweise kann für ein Grundstück im Wert von 200.000 € ein jährlicher Erbbauzins von 4 % vereinbart sein, also 8.000 € pro Jahr. Anders als bei Miete ist der Erbbauzins aber langfristig festgeschrieben bzw. nur nach bestimmten Regeln anpassbar. Wichtig ist demach die Anpassungsregelung des Erbbauzinses im Laufe der Zeit. Da Erbbaurechtsverträge sehr lange laufen, unterliegen Geldwert und Bodenwert erheblichen Veränderungen, wie bspw. Inflation und Immobilienpreissteigerungen. Das Erbbaurechtsgesetz gestattet Anpassungsklauseln, setzt aber für den Wohnungsbereich gewisse Grenzen, um Missbrauch zu verhindern. Oft wird der Erbbauzins an einen Preisindex (z. B. Verbraucherpreisindex) gekoppelt, sodass er mit der allgemeinen Inflation steigt. Solche Indexklauseln sind ausdrücklich zulässig und üblich, da sie die Kaufkraft des Erbbauzinses sichern. Häufig vereinbaren die Parteien, dass alle fünf oder zehn Jahre eine Anpassung entsprechend der Indexveränderung erfolgt, ggf. mit einer prozentualen Ober- oder Untergrenze. Alternativ sind Stufenregelungen verbreitet. Etwa kann im Vertrag stehen, dass nach 10, 20 und 30 Jahren der Erbbauzins um einen bestimmten Prozentsatz angehoben wird. Auch Kombinationen sind möglich, z. B. indexgebundene Steigerung mit der Maßgabe, dass spätestens nach 15 Jahren neu verhandelt wird, falls die Indexänderung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. 

Der Erbbauzins wird in der Regel als Reallast im Grundbuch des Grundstücks eingetragen, wodurch das Zahlungsrecht des Grundstückseigentümers dinglich gesichert ist. Gemäß § 9 Abs. 2 ErbbauRG kann der Anspruch auf künftige Erbbauzinszahlungen nicht vom Grundstück getrennt werden. Das heißt, er geht bei Verkauf des Grundstücks auf den neuen Eigentümer über.

Gebäudeentschädigung bei Heimfall

Kommt es zum (außerplanmäßigen) Heimfall, stellt sich die Frage nach der Entschädigung. Grundsätzlich sieht § 27 ErbbauRG beim regulären Erlöschen durch Zeitablauf eine angemessene Entschädigung für das Bauwerk vor. Bei vorzeitigen Heimfällen aufgrund Vertragsverstoßes ist jedoch vertraglich häufig vereinbart, dass die Entschädigung gemindert wird oder sogar entfällt. Beispiel: „Im Falle des Heimfalls aus Verschulden des Erbbauberechtigten erhält dieser nur 50 % der nach § 27 ErbbauRG vorgesehenen Entschädigung.“ Oder: „Bei Heimfall wegen Zahlungsverzugs erhält der Erbbauberechtigte keine Entschädigung für das Bauwerk.“ Allerdings unterliege die Ausübung eines solchen Heimfallanspruchs dann einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es darf nicht zu einem unangemessenen Ergebnis führen, etwa wenn der Verstoß geringfügig war und der Erbbauberechtigte hohe Investitionen getätigt hat, die der Eigentümer nun entschädigungslos bekäme. Ein vereinbarter Entschädigungsausschluss ist zwar gültig, aber der Grundstückseigentümer muss sehr gut begründen können, warum er den Heimfall ohne Ausgleich durchsetzt, sonst könnte ihm ein Gericht die Ausübung versagen.

In den meisten Fällen wird dennoch eine Entschädigung gezahlt, selbst bei vorzeitigem Heimfall, wenn auch reduziert. Um spätere Streitigkeiten über die Höhe zu vermeiden, beinhalten Verträge oft Bewertungsmodalitäten, z. B. die Benennung eines unabhängigen Gutachters oder die Festlegung einer Berechnungsformel. Häufig wird auf den Verkehrswert (Marktwert) des Gebäudes abgestellt. Angesichts möglicher Bewertungsdifferenzen vereinbart man bisweilen, dass jeder Teil einen Gutachter benennt und im Streitfall ein Schiedsgutachter entscheidet. Einige Verträge staffeln auch die Entschädigung nach Zeitabschnitten. Je näher am regulären Vertragsende, desto höher der prozentuale Entschädigungsanspruch, um die Wirkung einer Strafklausel für vorzeitige Vertragsbeendigung zu erzielen. Beispielsweise: „Bei Heimfall in den ersten 10 Vertragsjahren 40 %, in den nächsten 10 Jahren 50 %, danach 60 % des Zeitwerts des Bauwerks.“

Zusammenfassend sind Heimfallklauseln ein notwendiger Bestandteil des Erbbaurechtsvertrages, um schwerwiegende Pflichtverletzungen sanktionieren zu können. Sie sorgen dafür, dass der Grundstückseigentümer nicht auf Jahrzehnte an einen unzuverlässigen Vertragspartner gebunden ist. Für den Erbbauberechtigten stellen sie jedoch ein Risiko dar, das die Sicherheit seines Gebäudes beeinträchtigt. Wichtig ist ein ausgewogenes Regelwerk, wie klare Bedingungen, angemessene Fristen und Abmahnungen, sowie eine faire Entschädigungsregelung. Aus Bewertungssicht mindern sehr strenge Heimfallklauseln, insbesondere solche mit vollständigem Entschädigungsausschluss, den Wert des Erbbaurechts, da das Insolvenz- und Vertragsverletzungsrisiko vom Marktpreis abgezogen wird. Idealerweise sollen Heimfallklauseln eine ultima ratio bleiben. 

Verfügungsbeschränkungen und Abhängigkeit vom Vertrag

Während Volleigentum weitgehend frei von Beschränkungen ausgeübt werden kann, ist das Erbbaurecht stark durch den Erbbaurechtsvertrag geprägt. Oft enthält der Vertrag Klauseln, die bestimmte Handlungen des Erbbauberechtigten an die Zustimmung des Grundstückseigentümers binden, z. B. Veräußerung oder Beleihung des Erbbaurechts, bauliche Veränderungen am Gebäude. Auch Nutzungsvorgaben, bspw. die Verpflichtung, das Grundstück nur zu Wohnzwecken zu nutzen, sind üblich. In § 5 ErbbauRG ist ausdrücklich vorgesehen, dass als Inhalt des Erbbaurechts vereinbart werden kann, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Rechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Das bedeutet, der Erbbauberechtigte ist in der Ausübung seines Rechts an die vertraglichen Vereinbarungen gebunden. 

Bauverpflichtung, Instandhaltung und Nutzungsauflagen

Ein Erbbaurechtsvertrag enthält in der Regel genaue Bestimmungen dazu, welches Bauwerk der Erbbauberechtigte auf dem Grundstück errichten darf oder muss und wie er es nutzen soll. Anders als ein normaler Grundstückseigentümer, der grundsätzlich frei entscheiden kann, ob und was er innerhalb der gesetzlichen Vorgaben baut, haben Erbbauberechtigte meist eine Bauverpflichtung. Der Vertragszweck des Erbbaurechts ist zumeist die Bebauung. Daher verpflichtet der Erbbaurechtsgeber den Berechtigten regelmäßig, innerhalb einer bestimmten Frist ein Gebäude bestimmter Art und Größe zu errichten. Zum Beispiel kann der Vertrag vorschreiben, dass binnen zwei Jahren ein Einfamilienhaus mit mindestens X m² Wohnfläche fertigzustellen ist. Die Nichterfüllung dieser Baupflicht stellt einen schweren Vertragsverstoß dar und kann einen vorzeitigen Heimfall auslösen. 

Neben der Errichtung regeln Verträge die Instandhaltungspflicht des Erbbauberechtigten. Üblicherweise obliegt es allein ihm, das Bauwerk in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und erforderliche Reparaturen durchzuführen, da er ja wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ist. Oft findet sich die Klausel, dass der Erbbauberechtigte sämtliche öffentlichen und privaten Lasten und Abgaben zu tragen hat, die mit dem Grundstück und Bauwerk zusammenhängen. Dazu zählen Grundsteuer, Versicherungsbeiträge, Erschließungsbeiträge, etc. Der Vertrag kann auch vorschreiben, dass das Gebäude ausreichend gegen Feuer und andere Schäden zu versichern ist. Für den Fall der Zerstörung des Bauwerks, z. B. durch Brand, wird regelmäßig vereinbart, dass der Erbbauberechtigte zum Wiederaufbau verpflichtet ist bzw. andernfalls der Grundstückseigentümer ein Heimfallrecht hat. All diese Klauseln dienen dem Schutz des Grundstückseigentümers. Er möchte sicherstellen, dass auf seinem Grundstück ein wertvolles und nutzbares Bauwerk steht und nicht etwa ein baufälliges oder zweckentfremdetes Gebäude. Außerdem soll verhindert werden, dass er im Heimfall plötzlich mit rückständigen Abgaben oder Reparaturstau konfrontiert wird.

Je nach Art des Erbbaurechts legen die Verträge detailliert fest, wie das Grundstück genutzt werden darf. Beispielsweise kann bei Erbbaurechten, die von Städten zur Förderung des Wohnungsbaus vergeben werden, die Nutzung auf Wohnzwecke beschränkt sein, verbunden mit der Auflage, dass etwa sozialer Wohnraum entsteht. Oder ein Erbbaurecht von einem Kirchenvermögen könnte vorschreiben, dass bestimmte gewerbliche Nutzungen unzulässig sind. Typisch sind auch Verbote, das Grundstück unbebaut zu lassen oder das Gebäude länger leer stehen zu lassen. Solche Vereinbarungen sind vom ErbbauRG gedeckt. § 2 Nr. 1 ErbbauRG nennt als möglichen Vertragsinhalt die Vereinbarung über die Verwendung des Bauwerks. Die Vertragsparteien haben hier weitgehende Freiheit. 

Verstößt der Erbbauberechtigte gegen wesentliche Pflichten. Etwa unterlässt er notwendige Instandsetzungen trotz Abmahnung, nutzt er das Grundstück vertragswidrig oder lässt er es verwahrlosen, kann dies je nach Schwere ebenfalls einen Heimfall auslösen, siehe dazu § 2 Nr. 4 ErbbauRG. Viele Verträge schreiben ein abgestuftes Verfahren vor, z. B. Pflicht zur vorherigen Abmahnung oder die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und erst dann Heimfall. Dies entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und soll Willkür verhindern. Insgesamt zeigt sich, dass Erbbaurechtsverträge den Erbbauberechtigten in ein enges Pflichtenheft nehmen, um die Interessen des Grundstückseigentümers abzusichern. Diese Eigenschaften müssen bei der bei der Verkehrswertermittlung berücksichtigt werden, da strenge Nutzungsauflagen oder drohende Heimfalltatbestände wertmindernd wirken können.

Veräußerung, Übertragung und Belastung des Erbbaurechts (Zustimmungsvorbehalte)

Ein großer Vorteil des Erbbaurechts ist seine Verkehrsfähigkeit. Das Erbbaurecht kann vom Erbbauberechtigten grundsätzlich verkauft, verschenkt oder vererbt werden, ohne dass es erlischt oder der Grundstückseigentümer dies verhindern könnte. § 1 Abs. 1 ErbbauRG stellt bereits klar, dass das Erbbaurecht veräußerlich und vererblich ist. Damit unterscheidet es sich fundamental von einem Mietverhältnis, das nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen übertragen werden kann. Der Erbbauberechtigte kann sein Erbbaurecht wie eine Immobilie am Markt anbieten und veräußern. Der Erwerber tritt durch die Umschreibung im Erbbaugrundbuch in alle Rechte und Pflichten des Erbbaurechtsvertrags ein.

Dennoch behält der Grundstückseigentümer oft ein gewisses Mitspracherecht. Gemäß § 5 ErbbauRG kann vereinbart werden, dass die Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung machen viele Erbbaurechtsgeber Gebrauch, insbesondere öffentliche Hand und kirchliche Stiftungen. Ein Zustimmungsvorbehalt bei Veräußerung bedeutet, dass jeder Verkauf nur wirksam ist, wenn der Grundstückseigentümer schriftlich zustimmt. Die Zustimmung darf zwar nicht grundlos verweigert werden, aber sie ermöglicht es dem Eigentümer z. B. zu prüfen, ob der neue Erbbauberechtigte die gleichen Gewähr für Vertragstreue bietet oder ob bestimmte strategische Ziele tangiert werden. In manchen Kommunen gibt es Richtlinien, wonach das Erbbaurecht bevorzugt an Selbstnutzer oder bestimmte Einkommensgruppen gehen soll. Hier kann der Zustimmungsvorbehalt genutzt werden, um Verkäufe an unpassende Dritte zu blockieren. Allerdings kann ein unverhältnismäßig restriktives Verhalten des Eigentümers wiederum Schadenersatzansprüche auslösen. Insgesamt schafft die Zustimmungspflicht ein Gleichgewicht. Der Erbbauberechtigte bleibt veräußerungsfrei, aber der Eigentümer hat ein Kontrollele­ment, um sein langfristiges Interesse am Grundstück zu wahren.

Ähnliches gilt für die Belastung des Erbbaurechts mit Grundpfandrechten, wie Hypotheken und Grundschulden. Als Grundstücksrecht kann das Erbbaurecht beliehen werden, was praktisch wichtig ist, um Baufinanzierungen zu ermöglichen. Meist wird im Erbbaurechtsvertrag vereinbart, bis zu welcher Höhe oder in welchem Rang das Erbbaurecht belastet werden darf. Denn aus Sicht des Grundstückseigentümers birgt eine hohe Fremdfinanzierung des Erbbauberechtigten Risiken. Gerät der Erbbauberechtigte in Zahlungsschwierigkeiten und kommt es zur Zwangsversteigerung des Erbbaurechts, möchte der Grundstückseigentümer verhindern, dass sein Erbbauzins oder gar sein Heimfallrecht entwertet wird. Daher sieht § 9 Abs. 3 ErbbauRG vor, dass im Vertrag vereinbart werden kann, dem Erbbauberechtigten das Recht einzuräumen, das Erbbaurecht bis zu einer gewissen Grenze mit Grundpfandrechten zu belasten. Auch kann vereinbart werden, dass die Erbbauzins-Reallast im Falle der Zwangsversteigerung bestehen bleibt. In jedem Fall ist für entsprechende Vereinbarungen die Zustimmung vorrangiger Gläubiger nötig.

Viele Verträge gestatten dem Erbbauberechtigten die Beleihung bis zur Höhe des Kaufpreises des Bauwerks oder einer bestimmten Quote davon, um ihm eine übliche Finanzierung zu ermöglichen. Sollte das Erbbaurecht enden, bspw. durch Ablauf oder vorzeitigen Heimfall, gehen laut § 33 ErbbauRG alle dinglichen Belastungen des Erbbaurechts auf das Grundstück über. Das heißt, eine auf dem Erbbaurecht lastende Grundschuld würde nach Heimfall zur Grundschuld auf dem Grundstück, für die der Grundstückseigentümer haftet. Allerdings übernimmt der Eigentümer in diesem Fall auch die persönliche Schuld des Erbbauberechtigten in Bezug auf diese Lasten. Diese Rechtsfolge macht verständlich, warum Grundstückseigentümer ein Interesse daran haben, eine übermäßige Belastung des Erbbaurechts zu begrenzen. Sie möchten im Ernstfall nicht mit Schulden belastet werden, die der Erbbauberechtigte aufgenommen hat. Um sich weiter zu schützen, vereinbaren manche Verträge für diesen Fall Aufrechnungs- oder Anrechnungsmechanismen. Beispielsweise darf der Grundstückseigentümer offene Forderungen aus übernommenen Belastungen mit der dem Erbbauberechtigten etwa zustehenden Entschädigung verrechnen.

Neben Veräußerung und Beleihung können auch andere Rechte am Erbbaurecht begründet werden, z. B. Mieterdienstbarkeiten oder Nießbrauch am Erbbaurecht. Der Vertrag kann hierzu schweigen oder ebenfalls Zustimmungsvorbehalte vorsehen. Häufig untersagt ist die Teilung des Erbbaurechts (z. B. Aufteilung nach WEG oder in mehrere Erbbaurechte), um die Rechte überschaubar zu halten.

Heimfallklausel

Der Heimfall bezeichnet die vorzeitige Beendigung des Erbbaurechts vor Ablauf der regulären Vertragszeit aufgrund bestimmter vom Erbbauberechtigten zu vertretender Umstände, wodurch das Erbbaurecht auf den Grundstückseigentümer zurückübertragen wird. Während das Ende der Laufzeit automatisch zum Heimfall führt, regeln Heimfallklauseln im Vertrag zusätzliche außerordentliche Kündigungsgründe bzw. Auflösungsgründe. Typischerweise werden in Erbbaurechtsverträgen die in der Praxis wichtigsten Heimfallgründe aufgezählt:

  • Zahlungsverzug beim Erbbauzins: Das ErbbauRG selbst bestimmt in § 9 Abs. 4, dass Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten den Heimfallanspruch nur begründet, wenn mindestens zwei Jahresbeträge rückständig sind. Entsprechend findet sich in nahezu allen Verträgen die Klausel, dass der Heimfall geltend gemacht werden kann, wenn der Erbbauberechtigte mit der Zahlung von mehr als zwei Jahresbeträgen des Erbbauzinses in Verzug ist. Meist muss der Grundstückseigentümer zuvor eine Mahnung oder Fristsetzung vornehmen. Dieser Grund schützt den Grundstückseigentümer davor, langfristig auf seinen Einnahmen verzichten zu müssen, praktisch wie eine Kündigung wegen Mietrückstands im Mietrecht, jedoch mit der Besonderheit, dass das Bauwerk dann ebenfalls an den Eigentümer fällt. In der Praxis wird ein derart einschneidender Schritt selten beschritten, da oft eine Einigung, z. B. Ratenzahlung, gesucht wird.

  • Schwere Vertragsverstöße: Hierunter fallen Verletzungen von Pflichten, wie bspw. unterlassene Baupflicht , unerlaubte Nutzungsänderungen, Vernachlässigung der Instandhaltung bis zur Verwahrlosung, fehlende Versicherung, ungenehmigte bauliche Veränderungen oder unzulässige Überlassung an Dritte. Oft wird formuliert, dass bei „schwerwiegenden oder nachhaltigen Verstößen gegen die vertraglichen Verpflichtungen“ der Grundstückseigentümer zum Heimfall berechtigt ist. Was als schwerwiegend gilt, wird teils beispielhaft aufgezählt. Zum Beispiel könnte der Vertrag definieren: „Ein Heimfall kann insbesondere verlangt werden, wenn der Erbbauberechtigte trotz schriftlicher Abmahnung das Grundstück vertragswidrig nutzt oder das Bauwerk derart vernachlässigt, dass wesentliche Wertminderung eintritt.“ Die vertragliche Konkretisierung ist wichtig, um Rechtssicherheit zu schaffen. Bei Pflichtverletzungen, die heilbar sind, wird dem Erbbauberechtigten in aller Regel zunächst eine Frist zur Abhilfe eingeräumt (Nachholungsrecht), bevor der Heimfall ausgeübt wird.

  • Insolvenz des Erbbauberechtigten: Manche Verträge sehen ein Heimfallrecht vor, wenn über das Vermögen des Erbbauberechtigten das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Gesetzlich führt die Insolvenz des Erbbauberechtigten nicht automatisch zum Heimfall, doch die Vertragsparteien können dies vereinbaren. Hintergrund ist die Sorge des Grundstückseigentümers, in der Insolvenz seine Ansprüche nicht mehr durchsetzen zu können oder dass das Erbbaurecht in der Zwangsversteigerung an einen unerwünschten Dritten fällt. Allerdings muss auch hier Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Ein reiner Insolvenztatbestand ohne konkrete Gefährdungslage könnte als zu hart beurteilt werden. Die Insolvenz des Grundstückseigentümers hingegen beeinträchtigt das Erbbaurecht nicht. § 30 Abs. 2 ErbbauRG stellt klar, dass ein Eigentümerwechsel, auch durch Insolvenz des Eigentümers, die Rechte des Erbbauberechtigten unberührt lässt.

  • Eigenbedarf oder besondere Gründe des Grundstückseigentümers: In der älteren Vertragspraxis wurde mitunter ein Heimfallrecht bei „wichtigem Eigenbedarf“ des Grundstückseigentümers vereinbart. In modernen Verträgen ist dies selten, zumal schwer abzugrenzen ist, wann ein solcher Fall vorliegt. Kommunale Erbbaurechtsverträge schließen Eigenbedarf des Grundstückseigentümers meist ausdrücklich als Heimfallgrund aus, um Vertrauen zu schaffen. Generell müssen Heimfallgründe sehr sorgfältig und eng umschrieben werden, da ein unberechenbarer Heimfall das Erbbaurecht für den Berechtigten entwerten würde und ggf. sittenwidrig sein kann, wenn der Eigentümer ohne gravierenden Anlass den Heimfall erzwingen könnte.

2. Berechnung des Erbbaurechts mittels der sog. finanzmathematischen Methode gemäß § 50 ImmoWertV

Der finanzmathematische Wert des Erbbaurechts basiert auf dem Wert des fiktiven Volleigentums, also so, als bestünde kein Erbbaurecht. Er ergibt sich aus dem Gebäudewert (fiktives Volleigentum minus Bodenwert) zuzüglich der über die Restlaufzeit kapitalisierten Differenz zwischen angemessenem (marktüblichem) und erzielbarem (vertraglich vereinbartem) Erbbauzins. Ist die Restnutzungsdauer der Gebäude länger als die Restlaufzeit des Erbbaurechts, ist der nicht entschädigte Restwert des Gebäudes abzuzinsen und abzuziehen. Der angemessene Erbbauzins wird üblicherweise aus einem marktüblichen Erbbauzinssatz und dem Bodenwert, der erzielbare Erbbauzins aus dem vertraglich vereinbarten Erbbauzins unter Berücksichtigung aller zulässigen Anpassungen abgeleitet.

1. Schritt: Berechnung des Werts des fiktiven Volleigentums

Es wird zunächst der Wert des fiktiven Volleigentums der Immobilie, als wäre Grundstück und Gebäude untrennbar und kein Erbbaurecht vorhanden, berechnet. Diesen kann man durch die üblichen Verfahren ermitteln, z. B. Vergleichswert, Ertragswert oder Sachwert.

2. Schritt: Bestimmung eines angemessenen Erbbauzins

Der Erbbauzins stellt ökonomisch die Miete für den Grund und Boden dar. Seine Ausgestaltung im Vertrag hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wert des Erbbaurechts:

Ist der vereinbarte Erbbauzins angemessen oder günstiger/teurer als üblich? Ein niedriger Erbbauzins, gemessen in % des Bodenwerts, wirkt wertsteigernd für das Erbbaurecht, da der Erbbauberechtigte relativ geringe laufende Zahlungen leisten muss. Umgekehrt mindert ein hoher Erbbauzins den Wert des Erbbaurechts. Nach Daten des Statistischen Bundesamts und des Verbands deutscher Pfandbriefbanken lag der durchschnittliche Erbbauzinssatz 2023 bei 3–4 % des Bodenwerts. Wenn ein Vertrag deutlich darüber liegt (z. B. 5 % oder mehr ohne besonderen Grund), würde das Erbbaurecht vermutlich weniger nachgefragt sein und nur mit Abschlag veräußert werden können. Der Gutachter vergleicht daher den vertraglichen Zinssatz mit aktuellen Marktsätzen. Diese können je nach Region und Zinsumfeld variieren. In Niedrigzinsphasen sanken neu vereinbarte Erbbauzinsen teilweise auf 2–3 %, in Hochzinsphasen können 4–5 % als marktüblich gelten. Angemessen ist im Sinne der Wertermittlung derjenige Satz, der bei Neuabschlüssen ähnlicher Erbbaurechte am Stichtag verlangt würde. Als erste Quelle für einen angemessenen Zinssatz sei hier der Gutachterausschuss genannt. 

Für den Erbbauberechtigten ist ein langfristig fixierter oder moderat steigender Zins vorteilhaft, insbesondere wenn mit steigenden Bodenwerten zu rechnen ist, denn sein Zins bleibt relativ niedriger als die Bodenwertentwicklung. Steht dagegen eine Neuverhandlung des Erbbauzinses an, schafft das Unsicherheit und kann den Wert drücken. Ein Beispielproblem aus der Praxis sind Klauseln, die eine Anpassung „an veränderte Grundstückswerte“ vorsehen. Bei stark gestiegenen Bodenrichtwerten drohen dann plötzliche Zinssteigerungen, die wirtschaftlich kaum leistbar sind. Der Verband Wohneigentum hat etwa davor gewarnt, dass bei Erneuerungen von Erbbaurechten mit heutigem Zinsniveau viele Erbbauberechtigte überfordert werden könnten. Man sollte bei der Bewertung prüfen, ob und wann Anpassungen kommen und wie stark sie ausfallen könnten, um die zukünftigen Zahlungsströme korrekt anzusetzen.

Ein indexierter Erbbauzins, der an dem Verbraucherpreisindex gekoppelt ist, sorgt dafür, dass der Zins nominell mit der Inflation steigt. Aus heutiger Sicht ist das für den Erbbauberechtigten zunächst neutral, da sein Einkommen tendenziell auch mit Inflation steigt. Für die Bewertung verwendet man bei Indexkoppelung oft die Annahme, dass reale Werte konstant bleiben, also keine zusätzliche reale Steigerung des Zinses. Problematisch kann es sein, wenn der Bodenwert viel stärker steigt als der allgemeine Preisindex. Dann entkoppelt sich der Erbbauzins vom Bodenwert. Aus Sicht des Eigentümers wird der Zins relativ gesehen immer geringer. Aus Sicht des Erbbauberechtigten ist das erfreulich, da sein Zins hinter der Bodenmarktentwicklung zurückbleibt (Wertvorteil). 

Gerade bei Wohnnutzung stellt sich die Frage, ob der Erbbauzins tragfähig ist. Ein zu hoher absoluter Betrag, z. B. mehrere Tausend Euro pro Jahr für ein Einfamilienhaus kann den Käuferkreis einschränken, da sich die monatliche Belastung aus Erbbauzins plus ggf. Kreditrate dem Niveau einer Vollfinanzierung annähern kann. In solchen Fällen werden Erbbaurechte oft nur mit hohem Preisabschlag verkaufbar sein. Der Gutachter muss also auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Auge behalten.

 

3. Schritt: Vergleich des angemessenen mit dem vertraglich erzielbarem Erbbauzins

Zunächst ist der vertraglich erzielbare Erbbauzins pro Jahr zu bestimmen, also der Betrag, den der Erbbauberechtigte tatsächlich zu zahlen hat, einschließlich etwaiger vereinbarter Erhöhungen über die Restlaufzeit. Ist im Vertrag beispielsweise eine Indexierung vereinbart, sollte ein realistischer durchschnittlicher Erbbauzins über die Restlaufzeit geschätzt werden. In der Praxis wird häufig vereinfachend vom aktuellen Erbbauzins ausgegangen, unter der Annahme, dass sich dieser ebenso wie der angemessene Erbbauzins im Zeitverlauf in etwa entsprechend der allgemeinen Inflation entwickelt, sodass sich Dynamikeffekte weitgehend aufheben.

Entscheidend ist die jährliche Differenz zwischen angemessenem und vertraglich vereinbartem Erbbauzins. Fällt diese Differenz positiv aus, liegt der angemessene Erbbauzins über dem tatsächlich gezahlten und der Erbbauberechtigte erlangt einen wirtschaftlichen Vorteil in Form einer jährlichen Ersparnis. Ist die Differenz negativ, übersteigt der vertragliche Erbbauzins das marktübliche Niveau, sodass der Erbbauberechtigte im Vergleich zum Markt überhöhte Zahlungen leistet.

4. Schritt: Kapitalisierte Differenz aus angemessenem und erzielbaren Erbbauzins

Zunächst wird die jährliche Differenz aus angemessenem Erbbauzins minus erzielbarem Erbbauzins ermittelt. Es ist zu beachten, dass die Differenz  positiv sein kann wenn der vertragliche Zins niedriger ist als marktüblich. Die ist dann ein Zinsvorteil für den Erbbauberechtigten. Wenn die Differenz negativ ist, besteht ein überhöhter Erbbauzins. Dies stellt einen Nachteil für den Berechtigten dar. Anschließend erfolgt die Kapitalisierung dieser Differenz über die Restlaufzeit des Erbbaurechts. Praktisch wird dafür ein Barwertfaktor (Vervielfältiger) berechnet, der von der Restlaufzeit (n Jahre) und einem geeigneten Zinssatz i abhängt. In der Regel wird hierfür der Liegenschaftszinssatz des unbelasteten Grundstücks angesetzt, da er die marktübliche Rendite für das in Boden und Gebäude investierte Kapital abbildet. Das Ergebnis dieser Berechnung ist der kapitalisierte Geldwert der Erbbauzins-Differenz über die Restlaufzeit. Dieser Betrag kann man sich als den Wertanteil des Bodens vorstellen, der dem Erbbaurechtsinhaber zusätzlich zukommt oder entgeht. 

Zur Wahl des richtigen Zinssatzes für die Kapitalisierung:

§ 50 ImmoWertV regelt den finanzmathematischen Wert des Erbbaurechts und spricht von der über die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierten Differenz aus angemessenem und erzielbarem Erbbauzins, ohne jedoch einen konkreten Zinssatz vorzugeben. Die Verordnung verlangt damit lediglich die Kapitalisierung dieser Differenz, legt aber nicht fest, mit welchem Zinssatz dies zu erfolgen hat. Diese Lücke wird durch die ImmoWertA geschlossen. In den Anwendungshinweisen zu § 50 wird ausdrücklich klargestellt, dass für die Kapitalisierung sowohl der Liegenschaftszinssatz als auch der angemessene Erbbauzinssatz oder ein anderer geeigneter Zinssatz herangezogen werden können, wobei die Wahl des Zinssatzes im Gutachten zu begründen ist. Aus Gründen der Modellkonformität bietet es sich an, vorzugsweise denselben Zins zu verwenden, der auch der Bewertung von Bodenwert und Erträgen zugrunde liegt. 

5. Schritt: Berücksichtigung des nicht zu entschädigenden Wertanteils der baulichen Anlagen

Abschließend ist zu prüfen, inwieweit die baulichen Anlagen am Ende der Erbbaurechtslaufzeit noch einen Wert haben und ob bzw. in welcher Höhe der Erbbauberechtigte dafür eine Entschädigung erhält. Dieses Kriterium ist entscheidend, wenn die Restnutzungsdauer des Gebäudes über die Restlaufzeit des Erbbaurechts hinausgeht. Zunächst wird ermittelt, welcher Gebäudewertanteil bei Vertragsende voraussichtlich verbleibt. Dies kann z. B. mittels linearer Alterswertminderung erfolgen. Hat das Gebäude am Ende der Laufzeit noch einen substanziellen Restwert, würde dieser ohne Entschädigung dem Erbbaurechtsinhaber verloren gehen. Das Bauwerk fiele dann entschädigungslos an den Eigentümer. Viele Verträge sehen jedoch eine Teilentschädigung vor, typischerweise 66 % (Zweidrittel-Regelung) oder 75 % (Dreiviertel-Regelung) des dann aktuellen Gebäudewertes. Seltener sind volle 100 % oder ein vollständiger Ausschluss der Entschädigung (Nullanspruch) vereinbart. Basierend auf der vertraglichen Regelung wird der nicht zu entschädigende Anteil des Gebäudewertes bestimmt.

Beispiel: Hat das Gebäude zum Ablaufzeitpunkt einen prognostizierten Verkehrswert von 100.000 € und lautet die Entschädigungsquote auf 2/3, so wären ca. 66.667 € vom Grundstückseigentümer an den Erbbauberechtigten zu zahlen, ca. 33.333 € blieben unvergütet und gingen dem Erbbauberechtigten verloren. Dieser Verlustbetrag ist auf den Wertermittlungsstichtag abzuzinsen, üblicherweise wiederum mit dem Liegenschaftszinssatz über die Restlaufzeit. Den Barwert dieses nicht kompensierten Restwertanteils zieht man vom vorläufigen Erbbaurechtswert ab. Gibt es hingegen eine volle Entschädigung, also 100 % des Gebäudewerts am Ende, entfällt dieser Abzug, da dem Erbbauberechtigten kein Wertverlust entsteht. Übersteigt demnach die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen die Vertragsdauer, ist der bei Ablauf nicht zu entschädigende Gebäudewertanteil abzuzinsen und wertmindernd abzuziehen. Ein Erbbaurecht mit kurzer Restlaufzeit und geringer oder keiner Entschädigungsmöglichkeit kann daher drastisch an Wert verlieren, während bei langer Laufzeit und/oder voller Entschädigung der Einfluss geringer ist.

6. Schritt: Finanzmathematischer Wert des Erbbaurechts

Akademisch formuliert ist der finanzmathematische Wert des Erbbaurechts gemäß § 50 ImmoWertV das Ergebnis aus:  

            (a) Wert des unbelasteten Gebäudes (bzw. baulicher Anlagen)

zzgl.   (b) kapitalisierter Mehrwert aus einem etwaigen Erbbauzinsvorteil (oder abzgl. eines kapitalisierten Minderwertes aus einem Erbbauzinsnachteil)

abzgl. (c) Barwert eines etwaigen nicht entschädigten Restgebäudewertes

8. Schritt: Objektspezifisch angepasster Erbbaurechtsfaktor

Der Erbbaurechtsfaktor ist ein von den Gutachterausschüssen empirisch ermittelter Anpassungsfaktor zur Bewertung von Erbbaurechten. Er dient dazu, den mittels finanzmathematischer Methode berechneten vorläufigen Wert eines Erbbaurechts an die Marktverhältnisse anzupassen. Formal definiert er das Verhältnis zwischen dem Kaufpreis eines Erbbaurechts und dem geschätzten Wert desselben Objekts, wenn es sich im Volleigentum befände. Der Erbbaurechtsfaktor gibt demnach an, welcher Anteil des Voll-Eigentumswertes am Markt tatsächlich für das Erbbaurecht gezahlt wird. Grundlage für diese Verhältnisbildung sind Kaufpreisauswertungen, bei denen der Schätzwert des Erbbaurechts dem entsprechenden Schätzwert des vergleichbaren Grundstücks im Eigentum gegenübergestellt wird. 

Eine wichtige Erkenntnis aus langjährigen Untersuchungen ist, dass der Erbbaurechtsfaktor von bestimmten Rahmenbedingungen des Erbbaurechts abhängt. So wurde in Niedersachsen festgestellt, dass neuere Erbbaurechte typischerweise kleinere Faktoren aufweisen als ältere Verträge. Bei neu abgeschlossenen Erbbaurechtsverträgen werden häufig höhere Erbbauzinsen vereinbart, die den jährlichen finanziellen Aufwand für den Erbbauberechtigten steigern. Ein hoher Erbbauzins (als Prozentsatz des Bodenwerts) schmälert den erzielbaren Kaufpreis des Erbbaurechts im Vergleich zum unbelasteten Volleigentum. Der Markt honoriert also niedrige Erbbauzinsen mit höheren relativen Erbbaurechtswerten. Je geringer der Erbbauzins und je günstiger die vertraglichen Konditionen, desto näher kann der Kaufpreis des Erbbaurechts an den Voll-Eigentumswert heranreichen. Dieser Effekt spiegelt sich in den abgeleiteten Faktoren wider. Weitere Einflussgrößen wie die Restlaufzeit des Erbbaurechts spielen dem Anschein nach eine etwas geringere Rolle, solange diese noch lang ist. Erst bei kurzer Restlaufzeit gegen Vertragsende verzerren individuelle Verhandlungseinflüsse die Kaufpreise so stark, dass keine einheitlichen Faktoren mehr ableitbar sind. Wo ausreichend Marktdaten vorhanden sind, werden Erbbaurechtsfaktoren regelmäßig veröffentlicht und liegen typischerweise im Bereich 0,8 bis 1,0 für Wohnnutzungen, abhängig vor allem vom Erbbauzins und weniger von der Restlaufzeit. In Hamburg etwa erreicht der Faktor bei sehr günstigen Erbbauzinsen Werte über 1,0, d. h. der Erbbauberechtigte zahlt nahezu den vollen Eigentumswert, während er in ungünstigeren Konstellationen auch deutlich unter 0,8 fallen kann. 

 

7. Schritt: Verkehrswert des Erbbaurechts unter Berücksichtigung einer möglichen Marktanpassung

Der vorläufige Wert des Erbbaurechts stellt den letzten Zwischenschritt vor der Festlegung des Verkehrswerts dar. Rechtliche Grundlage für diese abschließende Plausibilisierung und Anpassung sind insbesondere § 47 Absatz 4 Satz 2 sowie § 7 Absatz 2 ImmoWertV. § 7 Absatz 2 fordert, dass bei der Ableitung des Verkehrswerts die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Übertragen auf Erbbaurechte bedeutet dies, dass zu prüfen ist, ob der vorläufige Wert mit dem aktuellen Marktverhalten im Segment der Erbbaurechte übereinstimmt. § 47 Absatz 4 Satz 2 konkretisiert dies für Erbbaurechte dahingehend, dass die besonderen Wertverhältnisse bei Grundstücken mit Erbbaurecht gegenüber unbelasteten Grundstücken zu beachten sind, also insbesondere die spezifische Risikostruktur und Renditeerwartung aus Sicht von Erbbauberechtigten und Grundstückseigentümern.

Im Rahmen dieses letzten Schritts wird daher untersucht, ob das Bewertungsobjekt hinsichtlich wesentlicher preisbestimmender Merkmale vom allgemeinen Markt für Erbbaurechte abweicht. Relevante Einflussfaktoren sind vor allem das Niveau und die Anpassungsmechanismen des Erbbauzinses, die vertraglich vereinbarte Restlaufzeit des Erbbaurechts, Heimfall- und Verlängerungsregelungen, Rangverhältnisse im Grundbuch, zusätzliche Rechte und Belastungen sowie etwaige Besonderheiten der Nutzung, die im Markt zu Abschlägen oder Zuschlägen führen. Werden im Zuge dieser Analyse wesentliche Abweichungen festgestellt, ist der vorläufige Wert des Erbbaurechts entsprechend anzupassen. Dies erfolgt regelmäßig in Form wertbeeinflussender Zu- oder Abschläge, die auf einer nachvollziehbaren Marktbeobachtung und einer konsistenten Argumentation beruhen müssen. Ziel ist es, einen Wert zu bestimmen, der dem Preis entspricht, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr am Stichtag bei einem Verkauf des Erbbaurechts unter Berücksichtigung der im Markt üblichen Behandlung der genannten Merkmale voraussichtlich zu erzielen wäre.

Der so bereinigte und an die allgemeinen Wertverhältnisse für Erbbaurechte angepasste Wert stellt schließlich den Verkehrswert des Erbbaurechts im Sinne der ImmoWertV dar.

3. Beispielrechnung

Ausgangsdaten

Parameter Wert Quelle/Bemerkung
Verkehrswert im fiktiven Volleigentum 342.487,25 € vorheriger Sachwert
Bodenwert 45.561,60 € Richtwert × Fläche
Restlaufzeit Erbbaurecht 50 Jahre laut Vertrag
Liegenschaftszinssatz (LIZI) 2,5 % GAA
Angemessener Erbbauzinssatz 2,5 % GAA
Vertraglich vereinbarter Erbbauzins 813,14 €/Jahr laut Vertrag
Barwertfaktor (50 Jahre, 2,5 %) 28,3623 Barwerttabelle
Erbbaurechtsfaktor 0,85 GAA

Schritt 1: Kapitalisierter Bodenwertvorteil

Angemessener Erbbauzins (jährlich) 1.139,04 €
Abzgl. vertraglicher Erbbauzins -813,14 €
Differenz 325,90 €
× Barwertfaktor (28,3623) 9.243,27 €
Dieser Betrag stellt den Vorteil dar, den der Erbbauberechtigte durch den niedrigen vertraglichen Zins im Vergleich zum marktüblichen Zinsniveau erzielt.

Schritt 2: Rechnerischer Erbbaurechtswert

Verkehrswert im Volleigentum 342.487,25 €
– Bodenwert -45.561,60 €
+ Bodenwertvorteil (aus Schritt 1) +9.243,27 €
= Rechnerischer Erbbaurechtswert 306.168,92 €

Schritt 3: Marktkonformer Erbbaurechtswert

Rechnerischer Erbbaurechtswert 306.168,92 €
× Erbbaurechtsfaktor (0,85) 260.244,58 €
Dieser Betrag bildet den Verkehrswert des Erbbaurechts ab, angepasst an den Markt durch den empirisch ermittelten Faktor. (In diesem Beispiel verbleibt kein Gebäuderestwert zum Ende des Erbbaurechts.)

Zum Abschluss eine Zusammenfassung zum Erbbaurecht:

  1. Das Erbbaurecht ist ein grundstücksgleiches Recht und ermöglicht die Nutzung eines Grundstücks zur Errichtung und Unterhaltung eines Bauwerks gegen Zahlung eines Erbbauzinses. In der Wertermittlung wird nicht das Recht in abstrakter Form bewertet, sondern dessen wirtschaftlicher Effekt im Vergleich zu einem fiktiven Volleigentum.
  2. Bewertet wird daher regelmäßig der finanzielle Vorteil oder Nachteil aus der Differenz zwischen einem marktüblichen beziehungsweise angemessenen Erbbauzins und dem vertraglich vereinbarten Erbbauzins. Diese Zinsdifferenz wird über die Restlaufzeit des Erbbaurechts mit einem Barwertfaktor kapitalisiert und als Bodenwertvorteil beziehungsweise Bodenwertnachteil abgebildet.
  3. Ausgehend vom Verkehrswert im fiktiven Volleigentum wird der Bodenwert herausgerechnet. Anschließend wird der kapitalisierte Bodenwertvorteil oder Bodenwertnachteil berücksichtigt. Das Ergebnis ist der rechnerische Erbbaurechtswert, der die ökonomische Struktur des Erbbaurechts rechnerisch abbildet.
  4. Da Erbbaurechte am Markt häufig nicht eins zu eins entsprechend rechnerischer Werte gehandelt werden, erfolgt in der Praxis regelmäßig eine Marktkorrektur. Diese geschieht über den Erbbaurechtsfaktor, der empirisch aus Kauffällen abgeleitet und von den Gutachterausschüssen veröffentlicht wird und der den rechnerischen Erbbaurechtswert marktgerecht justiert.
  5. Der so ermittelte marktkonforme Erbbaurechtswert bildet den Verkehrswert des Erbbaurechts ab. Er ist im Gutachten als eigenständiger Wert des grundstücksgleichen Rechts auszuweisen und berücksichtigt die Restlaufzeit, das Zinsniveau, die vertragliche Ausgestaltung sowie die regionalen Marktdaten.

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