Wertkette nach Porter im Bau- und Immobilienwesen | Leitfaden für Studenten

Die nachhaltige Sicherung von Wettbewerbsvorteilen ist ein zentrales Ziel des strategischen Managements. Zur Analyse von Unternehmen und ihrer strategischen Positionierung hat Michael E. Porter in den 1980er Jahren das Konzept der Wertkette (Value Chain) entwickelt. Die Wertkette ist ein Analysetool, das ein Unternehmen in seine wesentlichen Aktivitäten zerlegt, um Quellen von Kosten- und Differenzierungsvorteilen aufzudecken. Insbesondere in der Bau- und Immobilienwirtschaft – einem Sektor, der durch projektorientierte Abläufe, eine starke Fragmentierung der Leistungserstellung und lange Lebenszyklen von Immobilien geprägt ist – bietet die Wertkettenanalyse einen wertvollen Ansatz zur strukturierten Untersuchung der Unternehmensprozesse. Sie ermöglicht es, branchenbedingte Besonderheiten systematisch zu berücksichtigen und strategische Handlungsoptionen für Bau- und Immobilienunternehmen abzuleiten.

Das Wichtigste in Kürze

Die Wertkette nach Michael Porter ist ein Analysemodell, das Unternehmen in ihre primären und unterstützenden Aktivitäten zerlegt. Ziel ist es, Wettbewerbsvorteile systematisch zu identifizieren, entweder durch Kostenführerschaft oder durch Differenzierung.

In der Bau- und Immobilienwirtschaft ist die Anwendung besonders spannend, da die Branche durch drei Merkmale geprägt ist:

  1. Projektorientierung: Jedes Bauwerk ist ein Unikat; die Wertkette startet pro Auftrag neu. 

  2. Fragmentierung: Viele Akteure (Planer, Bauunternehmen, Nachunternehmer, FM-Dienstleister) arbeiten arbeitsteilig zusammen.

  3. Langer Lebenszyklus: Immobilien erzeugen Wert über Jahrzehnte; Betrieb, Instandhaltung und Verwertung sind genauso wichtig wie Planung und Bau.

Bauunternehmen schöpfen Wert über die Kette: Akquisition, Angebotsbearbeitung, Vertragsverhandlung, Bauausführung, Gewährleistung. Unterstützend wirken Personal, Infrastruktur, Beschaffung (Material + Nachunternehmer) und Prozessinnovationen (z. B. BIM, Lean).

Projektentwickler konzentrieren sich auf Grundstücksakquise, Konzept, Finanzierung, Bau- und Verkaufssteuerung. Investoren wiederum schaffen Wert durch Ankauf, Asset- und Property-Management sowie Veräußerung. Dienstleister wie Makler oder Facility Manager haben eigene, serviceorientierte Ketten.

Die strategischen Hebel der Wertkettenanalyse sind:

  • Kostenanalyse: Wo entstehen Hauptkosten, welche Treiber dominieren?

  • Differenzierung: Termintreue, Qualität, Nachhaltigkeit, „alles aus einer Hand“.

  • Make-or-Buy: Optimale Leistungstiefe festlegen.

  • Schnittstellenmanagement: Kooperationen und digitale Integration.

  • Lebenszyklusdenken: Betriebskosten und Nutzermehrwert schon in der Planung berücksichtigen.

Die Wertkette ist in Bau & Immobilien kein starres Modell, sondern ein strategischer Kompass, um Prozesse zu strukturieren, Potenziale aufzudecken und Wettbewerbsvorteile aufzubauen, durch niedrigere Kosten und/oder spürbaren Mehrwert für Auftraggeber und Nutzer. Lesen Sie hierzu mehr: 

Grundlagen: Wertkette versus Wertschöpfungskette

Der Begriff Wertkette (value chain) wird in der deutschen Literatur häufig mit Wertschöpfungskette (value-added chain) gleichgesetzt, doch es bestehen wichtige Unterschiede. Wertschöpfung bezeichnet den Beitrag, den ein Unternehmen zur Erstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung leistet – also die Steigerung des Wertes durch die Kombination von Inputfaktoren. Eine Wertschöpfungskette beschreibt dementsprechend die Stufen der Wertentstehung für ein Produkt oder eine Dienstleistung, häufig über Unternehmensgrenzen hinweg. In arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen wirken oft mehrere Organisationen als Wertschöpfungspartner zusammen, um ein Leistungsbündel zu erstellen. Ihr Zusammenwirken entlang der Produktionsstufen bildet die Wertschöpfungskette einer Branche und umfasst alle Aktivitäten verschiedener Beteiligter, die notwendig sind, um das Endprodukt oder die Dienstleistung bereitzustellen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Wertschöpfungssystem oder Wertsystem eines Wirtschaftszweigs.

Die Wertkette nach Porter hingegen betrachtet die Wertschöpfung aus Perspektive eines einzelnen Unternehmens bzw. einer strategischen Geschäftseinheit und abstrahiert von einem spezifischen einzelnen Produkt. Sie fokussiert sich darauf, welche Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens ausgeführt werden und wie diese zur Erstellung des für den Abnehmer wertvollen Outputs beitragen. Während also die Wertschöpfungskette einer Branche aus den verketteten Wertbeiträgen aller Beteiligten besteht, bildet die Wertkette die internen Prozesse und Funktionen eines Unternehmens (oder einer Geschäftsbereichseinheit) ab. Beide Konzepte dienen als strategische Analyseinstrumente: Die Wertschöpfungskettenanalyse beleuchtet die verschiedenen Produktionsstufen über mehrere Firmen hinweg, die zur Herstellung eines Produkts notwendig sind, wohingegen die Wertkettenanalyse die einzelnen Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens untersucht.

Aus der Sicht der Bau- und Immobilienwirtschaft ist diese Unterscheidung zentral. Ein Bauprojekt durchläuft vom Konzept bis zur Nutzung zahlreiche Phasen mit unterschiedlichen Akteuren – von Projektentwicklern über Architekten, Bauunternehmen, Zulieferern bis hin zu Eigentümern und Facility Managern. Diese gesamtwirtschaftliche Kette entspricht der Wertschöpfungskette des Bauwerks über den Lebenszyklus. Die Wertkette eines einzelnen Bau- oder Immobilienunternehmens bildet demgegenüber nur den Ausschnitt der Aktivitäten ab, den dieses spezifische Unternehmen im Rahmen des Projekts oder der Dienstleistung übernimmt. Beide Perspektiven – die unternehmensinterne Wertkette und die branchenweite Wertschöpfungskette – sind für die strategische Analyse relevant: Erstere hilft, interne Stärken und Schwächen zu identifizieren, letztere zeigt, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette ein Unternehmen tätig ist und wo Schnittstellen zu Partnern bestehen.

Porters Wertkette: Aufbau und Kategorien

Michael Porter hat die Wertkette ursprünglich in seinem Werk Competitive Advantage (1985; dt. Wettbewerbsvorteile) eingeführt. Die Portersche Wertkette zerlegt ein Industrieunternehmen in neun Kategorien von Aktivitäten, die in primäre und unterstützende Aktivitäten unterteilt sind. Dieses Schema diente ursprünglich der Analyse von Sachgüterherstellern (Produktion von physischen Gütern), wurde aber später auch auf Dienstleistungsunternehmen übertragen.

Primäre Aktivitäten sind unmittelbar an der Wertschöpfung für den Kunden beteiligt – sie stellen den Kern des Güter- oder Dienstleistungsprozesses dar. Porter unterscheidet fünf typische Kategorien primärer Aktivitäten in einem Industriebetrieb:

  • Eingangslogistik (Inbound Logistics): Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Empfang, der Lagerung und Bereitstellung von Eingangsmaterialien und Ressourcen für die Produktion. Dazu zählen z.B. Warenannahme, Lagerhaltung und interne Transportprozesse.

  • Operationen (Produktion): Die eigentliche Leistungserstellung bzw. Fertigung. Hier werden Inputs in das Endprodukt transformiert – z.B. Fertigungs- oder Montageprozesse in einem Werk.

  • Ausgangslogistik (Outbound Logistics): Verteilung des fertigen Produkts an die Kunden. Dies umfasst Lagerhaltung des Endprodukts, Auftragsabwicklung, Verpackung, Transport und Distribution.

  • Marketing und Vertrieb: Alle Aktivitäten, die darauf abzielen, das Produkt auf dem Markt zu positionieren, Nachfrage zu generieren und Verkäufe zu tätigen. Dazu gehören Werbung, Verkaufsförderung, Preisgestaltung, Vertriebskanäle und der Verkauf selbst.

  • Kundenservice (After-Sales-Service): Leistungen nach dem Verkauf, um den Wert für den Kunden aufrechtzuerhalten oder zu steigern. Beispiele sind Installation, Schulung, Wartung, Reparatur oder Reklamationsmanagement.

Diese primären Aktivitäten greifen wie Glieder einer Kette ineinander – von der Anlieferung der Rohstoffe bis zur Betreuung des Kunden nach dem Kauf. Jede dieser Aktivitäten kann potenziell zur Kostenentstehung beitragen und/oder einen Differenzierungsvorteil bieten.

Unterstützende Aktivitäten (Sekundäraktivitäten) durchdringen die primären Bereiche und stellen Querschnittsfunktionen dar, die erforderlich sind, damit die primären Aktivitäten effektiv ausgeführt werden können. Porter definiert vier grundlegende Unterstützungsaktivitäten:

  • Unternehmensinfrastruktur: Der organisatorische Rahmen und das Management des Unternehmens, einschließlich Planung, Rechnungswesen, Finanzwesen, Recht, Qualitätssicherung etc. Diese Infrastruktur sorgt dafür, dass das Unternehmen insgesamt funktionsfähig ist.

  • Personalmanagement: Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Personalbeschaffung, -entwicklung und -verwaltung. Dazu zählen Rekrutierung, Aus- und Weiterbildung, Leistungsbeurteilung, Vergütung und Arbeitsbeziehungen. In wissensintensiven Branchen sind Humanressourcen oft eine entscheidende Quelle von Wettbewerbsvorteilen.

  • Technologieentwicklung: Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Prozessverbesserung, IT-Systeme und jede Form von technologischem Fortschritt, der in Produkte oder Prozesse einfließt. Hier entstehen Innovationen, neue Verfahren und Verbesserungen, die die Effizienz steigern oder einzigartige Leistungsmerkmale ermöglichen.

  • Beschaffung (Procurement): Der Einkauf von Gütern und Dienstleistungen, die das Unternehmen für seine Aktivitäten benötigt – z.B. Rohstoffe, Maschinen, Zulieferteile, aber auch Dienstleistungen von Dritten. Die Beschaffungsfunktion hat Einfluss auf Kosten (durch Verhandeln günstiger Konditionen) und Qualität der Inputs.

Porter betont, dass jede dieser neun Kategorien als „Wertaktivität“ verstanden wird, die zum Gesamtwert des Endprodukts beiträgt. Der Gesamtwert, den ein Unternehmen erzeugt, ergibt sich aus der Summe der Werte aller Aktivitäten abzüglich der Kosten, die durch die Aktivitäten entstehen. Eine Wertkettenanalyse untersucht daher für jede Aktivität, wie sie zur Wertschöpfung beiträgt und wo Möglichkeiten bestehen, effizienter zu werden oder sich von Wettbewerbern abzuheben. Beispielsweise könnte ein Unternehmen Kostenvorteile erzielen, wenn es seine Eingangsmaterialien günstiger oder schneller beschafft als die Konkurrenz, oder Differenzierungsvorteile erreichen, wenn es im Kundenservice hervorragende Leistungen bietet, die Kundenloyalität schaffen.

Wichtig ist die Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen den Aktivitäten: Oft hängen die Kosten und Leistungen einer Aktivität von anderen Aktivitäten ab. Porter spricht in diesem Zusammenhang von Verknüpfungen (linkages) zwischen Wertaktivitäten. Optimierungen dürfen daher nicht isoliert erfolgen, sondern müssen die Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerten Aktivitäten berücksichtigen. Beispielsweise kann eine teurere Komponente in der Produktion insgesamt kosteneffizient sein, wenn sie die Endmontage vereinfacht oder den Serviceaufwand senkt. Wertaktivitäten sind also keine isolierten Einheiten, sondern Teil eines integrierten Systems von Prozessen innerhalb des Unternehmens. Diese systemische Sicht ist für die strategische Analyse essenziell, um echte Komparative Konkurrenzvorteile (KKVs) zu identifizieren – also Vorteile, die ein Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz aus seinen Prozessen ziehen kann.

Zum klassischen Porterschen Konzept gehört auch die Einbettung der Unternehmens-Wertkette in ein Wertsystem aus vor- und nachgelagerten Wertketten. Das heißt, die Kette eines Unternehmens hat Berührungspunkte mit der Wertkette seiner Lieferanten (z.B. Zuflüsse von Materialien) und mit der Wertkette seiner Abnehmer/Kunden (z.B. Anforderungen an Lieferung, Weiterverarbeitung beim Kunden) sowie gegebenenfalls mit Vertriebspartnern. Porter betont, dass Wettbewerbsvorteile nicht nur innerhalb der eigenen Kette zu suchen sind, sondern auch an diesen Schnittstellen entstehen können – etwa durch enge Kooperation mit Zulieferern oder durch bessere Abstimmung mit Vertriebskanälen. In der Bau- und Immobilienbranche ist dieser Aspekt besonders relevant, da hier viele Unternehmen an einem Projekt beteiligt sind. Bevor wir jedoch auf diese branchenspezifischen Konstellationen eingehen, betrachten wir, wie das Wertkettenmodell für Dienstleistungsunternehmen adaptiert wurde, denn Bauleistungen und Immobiliendienstleistungen weisen Dienstleistungscharakter auf, der gewisse Anpassungen des klassischen Modells erfordert.

Anpassung der Wertkette für Dienstleistungsunternehmen

Porters ursprüngliche Wertkette ist – wie erwähnt – anhand eines Produktionsunternehmens entwickelt und in erster Linie auf materielle Güter fokussiert. Dienstleistungsunternehmen unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten grundlegend von Sachgüterproduzenten: Sie erbringen immaterielle Leistungen, häufig in direktem Kontakt mit dem Kunden, die Produktion und Konsumtion fallen oft zeitlich zusammen, und es gibt in der Regel keine Lagerhaltung fertiger „Produkte“. Diese Besonderheiten wirken sich auf die Einteilung der primären Aktivitäten aus.

In der Literatur wurden daher Modifikationen der Wertkette für Dienstleister vorgeschlagen. Insbesondere Altobelli und Bouncken (1998) haben eine angepasste Wertkette für Dienstleistungsanbieter entworfen. Sie stellen fest, dass bei Dienstleistungen die klassischen Bereiche Eingangs- und Ausgangslogistik anders zu bewerten sind:

  • Die Eingangslogistik ist bei vielen Dienstleistungen eng mit den Operationen verzahnt, da notwendige Inputfaktoren (z.B. Informationen oder Materialien) meist unmittelbar im Leistungsprozess verbraucht werden und kein umfangreiches Zwischenlager erforderlich ist. Beispielsweise werden im Bauwesen die benötigten Materialien „just-in-time“ oder projektbezogen zur Baustelle geliefert und fließen direkt in die Bauleistung ein.

  • Die Ausgangslogistik hat bei Dienstleistungen in der Regel geringe Bedeutung, weil das „Produkt“ nicht physisch verteilt wird. Es gibt keine fertigen Waren, die gelagert und an den Kunden versendet werden müssten. In Fällen, wo doch materielle Elemente anfallen (etwa Unterlagen, Dokumentationen oder kleine Zusatzprodukte), können diese meist vernachlässigt werden oder werden fremdbezogen. Altobelli und Bouncken geben das Beispiel von Souvenirartikeln bei Reiseveranstaltern, die zur Kundenbindung dienen, aber nicht Teil der Kernleistung sind und oft von Dritten bereitgestellt werden. Generell kann man daher die klassische Kategorie „Ausgangslogistik“ bei den meisten Dienstleistern weglassen oder stark unterordnen.

Stattdessen schlagen Altobelli/Bouncken vor, die primären Aktivitäten bei Dienstleistungsunternehmen folgendermaßen zu gliedern:

  • Akquisition – Aktivitäten zur Gewinnung von Kunden (Marketing, Vertrieb).

  • Eingangslogistik – Bereitstellung von Inputfaktoren (wo relevant).

  • Kontaktphase – die Phase der direkten Leistungserstellung im Kontakt mit dem Kunden. Dazu zählen Beratung, die eigentliche Dienstleistung und alle Interaktionen während der Durchführung.

  • Nachkontaktphase – Aktivitäten nach der eigentlichen Leistungserbringung, etwa Nachbetreuung, Garantieabwicklung, Wartung oder Feedback-Gespräche.

Diese Einteilung trägt der Tatsache Rechnung, dass bei Services der Kundenkontakt selbst das Zentrum der Wertschöpfung ist. Der Leistungsprozess ist oft simultan mit dem Verbrauch, und eine vorgelagerte Produktion auf Lager entfällt. Unterstützende Aktivitäten bleiben analog zu Porter (Infrastruktur, Personal, Technologie, Beschaffung), jedoch mit zum Teil anderen Schwerpunkten – z.B. ist Qualitätsmanagement in Dienstleistungsunternehmen kritisch, da die Leistungserstellung heterogener und schwerer kontrollierbar ist.

Warum ist diese Diskussion für die Bau- und Immobilienbranche wichtig? Bauleistungen weisen sowohl Charakteristika von Sachgütern (es entsteht ein physisches Objekt, z.B. ein Gebäude) als auch von Dienstleistungen (die Erstellung erfolgt projektbezogen, individuell für den Auftraggeber und unter dessen Mitwirkung) auf. Man spricht auch von der „gebauten Dienstleistung“. Ein Bauunternehmen „lagert“ in der Regel keine Häuser oder Straßen vorproduziert auf Vorrat, sondern erbringt die Leistung erst nach Auftrag und meist auf dem Grundstück des Kunden. Damit ähneln Bauleistungen in vieler Hinsicht einem Dienstleistungsprozess mit Projektcharakter. Folglich müssen wir das Wertkettenmodell so anpassen, dass es diese Besonderheiten reflektiert. Im nächsten Kapitel betrachten wir daher zunächst detailliert die branchenspezifischen Merkmale der Bau- und Immobilienwirtschaft, bevor wir auf die konkrete Ausgestaltung der Wertkette in Bau- und Immobilienunternehmen eingehen.

Branchenmerkmale der Bau- und Immobilienwirtschaft

Die Bau- und Immobilienbranche unterscheidet sich in mehreren Punkten fundamental von klassischen Industriezweigen. Drei Eigenschaften sind besonders prägend und für die Anwendung der Wertkette relevant:

  1. Projektorientierung der Leistungserstellung,

  2. Fragmentierung der Branchenstruktur und Arbeitsteilung,

  3. Langer Lebenszyklus der erstellten Objekte (Immobilien).

Diese Faktoren beeinflussen, wie Wertschöpfung in dieser Branche organisiert ist und wo strategische Potenziale und Herausforderungen liegen. Im Folgenden werden diese Merkmale erläutert.

Projektorientierung

Die Erstellung von Bauwerken erfolgt überwiegend in Form von Projekten. Jedes Bauprojekt ist ein einmaliges Vorhaben mit spezifischen Anforderungen (Standort, Kundenwünsche, Design, technische Gegebenheiten). Im Gegensatz zur Serienproduktion herrscht hier Einzel- und Auftragsfertigung vor: Planung und Ausführung werden in der Regel individuell für jeden Auftrag erbracht. Dadurch ist die Produktionsumgebung in der Bauwirtschaft sehr dynamisch und wenig standardisiert – Teams formieren sich projektbezogen neu, und nach Projektabschluss lösen sie sich wieder auf.

Typisch für projektorientierte Branchen ist, dass die Beteiligten oft nur temporär zusammenarbeiten und dann in neuer Konstellation im nächsten Projekt agieren. Eine Konsequenz dieser Projektbasis in der Bauindustrie ist, dass viele unabhängige Firmen in ständig wechselnden einmaligen Koalitionen zusammenkommen. Diese Struktur erschwert die Kontinuität von Prozessen und Lernkurven: Wissen aus einem Projekt wird nicht automatisch ins nächste übertragen, da Personal und Partner wechseln können. Innovationen und Verbesserungen verbreiten sich langsamer, da jedes Projekt tendenziell als Unikat betrachtet wird. Studien weisen darauf hin, dass diese kurzfristige Projektfokussierung Wissenstransfers und kontinuierliche Verbesserungen hemmen kann. Unternehmen müssen daher aktiv Mechanismen schaffen, um aus Projekterfahrungen zu lernen und Prozesse zu standardisieren, wo möglich, um Effizienzgewinne zu erzielen.

Aus Sicht der Wertkette bedeutet Projektorientierung, dass die primären Aktivitäten zyklisch pro Projekt durchlaufen werden. Im Grunde „beginnt die Wertkette mit jedem neuen Auftrag neu“. Ein Bauunternehmen durchläuft für jedes Projekt erneut Phasen der Akquisition, Angebotsbearbeitung, Vertragsverhandlung, Ausführung etc. – anders als in der Massenfertigung, wo dieselben Abläufe in einer kontinuierlichen Produktionskette immer wiederkehren. Diese zyklische Natur erfordert Flexibilität: Prozesse müssen an unterschiedliche Projektgrößen, -arten und -anforderungen angepasst werden können. Gleichzeitig kann ein Unternehmen aber durch Standardisierung wiederkehrender Abläufe (z.B. Angebotskalkulation, Projektmanagementmethoden) Effizienzpotenziale heben. Die Wertkettenanalyse muss folglich prozessorientiert denken, aber die Besonderheit berücksichtigen, dass diese Prozesse projektbezogen immer wieder aufgesetzt werden.

Noch ein wichtiger Aspekt der Projektorientierung ist die Einbindung des Kunden. Bei Bauprojekten ist der Auftraggeber häufig stark involviert (z.B. durch Vorgaben in der Planungsphase, Änderungswünsche während der Bauausführung, Abnahmen). Man kann von einer Kundenintegration in die Leistungserstellung sprechen, was bei Dienstleistungen üblich ist. Dies bedeutet, dass die Kontaktphase in der Wertkette – also die Interaktion mit dem Kunden während des Projektverlaufs – im Bauwesen sehr ausgeprägt ist. Ein Bauunternehmen muss also nicht nur intern seine Aktivitäten koordinieren, sondern auch eng mit dem Kunden (und oft dessen Architekten oder Projektsteuerern) zusammenarbeiten, um erfolgreich Wert zu schaffen. Auch dies prägt die Struktur der Wertkette: Vertragsverhandlungen, Abstimmungsschleifen und Änderungsmanagement werden zu bedeutenden Prozessen.

Zusammenfassend erschwert die Projektorientierung zwar die Effizienzsteigerung durch Routine, macht aber eine klare Prozessstrukturierung umso wichtiger. Die Wertkette liefert hier einen Ordnungsrahmen: Sie zwingt dazu, alle Tätigkeiten eines Unternehmens – auch wenn sie in Projekten ablaufen – systematisch einer Kategorie zuzuordnen und auf ihren Beitrag zur Wertschöpfung hin zu prüfen. So lässt sich herausarbeiten, welche Abläufe Kernkompetenzen darstellen und wo Verbesserungsbedarf besteht.

Fragmentierung der Branche

Die Bauwirtschaft gilt traditionell als stark fragmentiert. Darunter versteht man, dass es eine Vielzahl von spezialisierten Unternehmen gibt, die jeweils nur einen Teil der Gesamtwertschöpfung abdecken. In kaum einem anderen Sektor ist die Arbeitsteilung so fein ausgeprägt: Es gibt Bauunternehmen für unterschiedliche Gewerke (Rohbau, Ausbau, Haustechnik, etc.), Architekturbüros, Ingenieurbüros, Projektsteuerer, Bauzulieferer, Handwerksbetriebe, Immobilienmakler, Facility-Management-Firmen und viele weitere Beteiligte. Ein Bauprojekt wird häufig von einem temporären Netzwerk aus Dutzenden eigenständigen Firmen gestemmt.

Diese Fragmentierung hat historisch und ökonomisch verschiedene Ursachen: Zum einen ist jedes Bauwerk ortsfest und einzigartig, was lokal angepasste Lösungen erfordert. Zum anderen haben öffentliche Vergaberichtlinien (z.B. in Deutschland die VOB) und Haftungsregeln oft dazu geführt, dass Aufträge in viele Lose aufgeteilt und Spezialisten beauftragt werden. Außerdem erfordert das breite Spektrum an benötigten Fähigkeiten – von Planung über diverse Handwerke bis zur Finanzierung – einen Pool an unterschiedlich qualifizierten Akteuren.

Die Folgen der Fragmentierung sind vielschichtig. Aus strategischer Sicht wichtig sind zwei Aspekte: Koordinationsaufwand und Schnittstellenprobleme sowie die Frage der Leistungstiefe eines einzelnen Unternehmens. Erstens führt die Beteiligung vieler unabhängiger Organisationen zu hohem Koordinationsbedarf. Prozesse sind über Unternehmensgrenzen hinweg verzahnt, aber jede Firma optimiert primär ihre eigene Wertkette. Dies kann zu Ineffizienzen an den Schnittstellen führen – etwa Informationsverluste zwischen Planung und Ausführung, Abstimmungsprobleme zwischen Gewerken oder Verantwortungsdiffusion bei Mängeln. Studien beschreiben die Branche deshalb als „disintegrated“ und sehen in einer besseren Integration der Lieferkette großes Potenzial zur Verbesserung der Gesamtperformance. So wird z.B. Supply-Chain-Management als Ansatz propagiert, um die verstreuten Akteure enger zu verzahnen und dadurch Zeit und Kosten zu sparen sowie Qualität zu erhöhen.

Zweitens stellt sich für jedes Unternehmen strategisch die Frage: Welche Wertschöpfungsstufen decke ich selbst ab und welche Leistungen beziehe ich von externen Partnern? Dies bezeichnet man als vertikale Integration bzw. im Umkehrschluss als Outsourcing. In der fragmentierten Bauindustrie tendieren viele Unternehmen zu relativ geringer Leistungstiefe – etwa ein Generalunternehmer, der selbst kaum eigenes Personal für Gewerke hat, sondern Nachunternehmer einsetzt (Generalübernehmer), oder ein Bauträger, der Planung und Bau komplett an Dritte vergibt (Totalübernehmer). Die vertikale Spezialisierung ermöglicht zwar Kostenvorteile durch Konzentration auf Kernkompetenzen und Flexibilität, birgt aber auch Risiken: Abhängigkeit von Partnern, geringe Kontrolle über Qualität und Termine, sowie geringen Anteil am Gesamtwertschöpfungsvolumen eines Projekts.

Die Wertkettenanalyse kann helfen, Schnittstellen und Verflechtungen mit externen Wertketten transparent zu machen. Porter selbst führte den Begriff des Wertsystems ein, um die Kette eines Unternehmens in den Kontext der Lieferkette und der Kundenkette zu stellen. In der Bauindustrie wird dies greifbar: Ein Bauunternehmen ist eingebettet zwischen die Wertkette seiner Zulieferer (Baustoffhersteller, Gerätevermieter, Ingenieurdienstleister etc.) und die seiner Kunden (z.B. Projektentwickler oder öffentliche Auftraggeber, die das Bauwerk in eigene Immobilienportfolios überführen). Jede Verbindung – zu Lieferanten, zu Subunternehmern, zu Planern, zu Kunden – stellt eine potenzielle Nahtstelle dar, an der Wettbewerbsvorteile entstehen oder verloren gehen können. Beispielsweise kann ein Bauunternehmen, das exzellente Beziehungen zu seinen Materiallieferanten hat (etwa gemeinsames Logistikmanagement, abgestimmte IT-Schnittstellen), Kosten und Zeit sparen und dadurch einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern erlangen. Ebenso kann die enge Zusammenarbeit mit Planern oder ein integriertes Planungsausführungsteam zu weniger Fehlern und Nacharbeiten führen – ein Differenzierungsmerkmal in puncto Qualität.

Klemmer (1998) hat die Neustrukturierung bauwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten untersucht und festgestellt, dass der Preiswettbewerb im Baugewerbe dominant ist und Differenzierung über Leistung schwierig. Angesichts hoher Personalkosten und durchschnittlicher Produktivität in Deutschland sah er die Notwendigkeit, durch Kostensenkung und ungenutzte Differenzierungspotenziale wettbewerbsfähiger zu werden. Eines der zentralen strategischen Felder ist dabei die Gestaltung der Governance-Struktur: also wer welche Stufen der Wertschöpfungskette übernimmt, mit welcher Tiefe, und wie die Kooperation zwischen den Beteiligten aussieht. Klemmer zeigt auf, dass nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielt werden können, wenn ein Unternehmen die für seine Zielsegmente optimalen Wertschöpfungsstufen in sich integriert oder gezielt Partnernetzwerke aufbaut. So ist beispielsweise der Schlüsselfertigbau (Generalunternehmer-Modell, bei dem ein Anbieter von Planung bis Schlüsselübergabe alles koordiniert) eine Antwort auf die Fragmentierung: Aus Kundensicht wird eine Leistung „aus einer Hand“ geboten, was einen Differenzierungsvorteil bringen kann, während intern das Unternehmen durch Koordination mehr Wertschöpfung bindet. Allerdings erfordert dies entsprechende organisatorische Fähigkeiten und Größe.

Insgesamt führt die Fragmentierung dazu, dass Wettbewerb weniger zwischen einzelnen Unternehmen als vielmehr zwischen ganzen Wertschöpfungssystemen stattfinden kann. Ein Bauunternehmen muss also strategisch entscheiden, in welchem Netzwerk und mit welchem Integrationsgrad es agiert. Die Wertkette als Analysewerkzeug zwingt ein Unternehmen, seine Rolle im großen Ganzen zu reflektieren: Welche primären Aktivitäten erbringe ich selbst? Welche unterstützenden Aktivitäten habe ich ausgebaut? Wo kaufe ich Leistungen zu und wie binde ich sie ein? Diese Fragen sind zentral, um in einer fragmentierten Branche die eigene Positionierung zu bestimmen.

Langer Lebenszyklus von Immobilien

Immobilien zeichnen sich durch eine außerordentlich lange Nutzungsdauer aus. Ein Gebäude kann – je nach Typ und Instandhaltung – viele Jahrzehnte, teils über 100 Jahre genutzt werden. Der Lebenszyklus einer Immobilie umfasst diverse Phasen: Entwicklung (Projektinitiierung und -planung), Erstellung (Bau), Nutzung (Betrieb, Instandhaltung, ggf. Umnutzung) und schließlich Rückbau oder Revitalisierung. Jede dieser Phasen bringt unterschiedliche Anforderungen und Akteure mit sich. Strategisch relevant ist, dass Entscheidungen in frühen Phasen (z.B. in der Planung) enorme Auswirkungen auf die späteren Phasen haben (z.B. Betriebskosten über Jahrzehnte). Dennoch sind die Phasen oft durch Brüche gekennzeichnet: Der Projektentwickler oder Bauträger verkauft das Objekt nach Fertigstellung an einen Investor, welcher es betreibt; der Betreiber beauftragt später eventuell separate Facility-Management-Dienstleister; am Ende übernimmt ein Abbruchunternehmen den Rückbau. Damit fließen die Rückmeldungen aus der Nutzungsphase oft nicht in zukünftige Planungs- und Bauphasen zurück – ein Problem, das in der Bauwirtschaft häufig diskutiert wird (Stichwort Lebenszyklusbetrachtung).

Aus Perspektive der Wertschöpfung bedeutet der lange Lebenszyklus, dass es eine Wertschöpfungskette auf Branchenebene gibt, die den gesamten Lebenszyklus umfasst. Klemmer bezeichnete dies als „lebenszyklusbasierte bauwirtschaftliche Wertschöpfungskette“, die sämtliche Phasen von der Projektentwicklung über Finanzierung, Planung, Bauausführung, Betrieb bis zum Abriss abdeckt. Diese Gesamtkette verteilt sich typischerweise auf mehrere Spezialisten:

  • Projektentwickler kümmern sich um die Phase der Objektentwicklung (Idee, Konzept, Grundstücksakquise, Baurechtschaffung, Vorplanung) und oft um die Finanzierung.

  • Planer (Architekten, Ingenieure) erbringen Objektplanung und technische Planung.

  • Bauunternehmen übernehmen die Bauausführung, ggf. mit eigenem Projektmanagement.

  • Betreiber/Facility Manager verantworten die Immobiliennutzung: sie kümmern sich um den technischen und infrastrukturellen Betrieb, Wartung, Instandhaltung und Mietermanagement.

  • Schließlich kommen Abbruch- und Recyclingunternehmen am Lebensende zum Zuge.

Jede Phase kann wiederum unterteilt sein, aber wichtig ist: Die Wertgenerierung einer Immobilie erstreckt sich über Jahrzehnte, und verschiedene Unternehmen fügen in verschiedenen Lebensabschnitten Wert hinzu. Für die strategische Analyse eines bestimmten Unternehmens heißt das, man muss erkennen, an welchen Lebenszyklusphasen man beteiligt ist. Ein Bauunternehmen im klassischen Sinn verdient sein Geld vor allem in der Bauphase. Ein Immobilieninvestor (z.B. eine Wohnungsbaugesellschaft) schöpft Wert in der Nutzungsphase durch Mieteinnahmen. Ein Facility-Management-Dienstleister erbringt Leistungen ebenfalls in der Nutzungsphase, während ein Projektentwickler seinen Gewinn beim Verkauf nach Fertigstellung realisiert.

Der lange Lebenszyklus birgt Herausforderungen und Chancen: Einerseits führen die langen Zeiträume zu Unsicherheit (z.B. ändern sich Nutzerbedürfnisse oder Technologien über die Zeit) und zu einer Trennung von Bau- und Betriebsverantwortung. Das kann dazu führen, dass in der Bauphase nicht optimal im Hinblick auf die Nutzungsphase entschieden wird (z.B. wird aus Kostengründen eine günstigere Baumethode gewählt, die aber langfristig höhere Betriebskosten verursacht – dieses Dilemma tritt auf, wenn Bauträger und Endinvestor unterschiedliche Interessen haben). Andererseits entstehen Chancen für Geschäftsmodelle, die Lebenszyklusleistungen anbieten: Etwa Generalunternehmer, die auch für Wartung und Betrieb einer bestimmten Zeit einstehen (wie in PPP-Modellen – Public Private Partnerships, wo Planung, Bau und Betrieb in einem Vertrag gebündelt werden), oder Hersteller von Baukomponenten, die lange Garantien bieten und damit in die Betriebsphase hinein Leistungen erbringen.

Für die Wertkette eines Unternehmens bedeutet dies, dass man überlegen kann, ob man seine Wertkette verlängert, um einen größeren Teil des Lebenszyklus abzudecken. Beispielsweise haben einige Bauunternehmen begonnen, Facility-Management-Tochtergesellschaften zu gründen oder Immobilienbetrieb mit anzubieten, um zusätzliche Einnahmen in der Nutzungsphase zu generieren und dem Kunden einen umfassenden Service (von Bau bis Betrieb) zu liefern. Umgekehrt gibt es Immobilieninvestoren, die sich rückwärts integrieren und eigene Projektentwicklungsabteilungen gründen, um bereits in der Entwicklungsphase Einfluss auf das Produkt zu nehmen. Jede solche Integration verändert die Unternehmens-Wertkette erheblich und erfordert neue Kompetenzen.

Zusammengefasst erfordert der lange Lebenszyklus ein ganzheitliches Denken: Strategische Analysen sollten die Wertschöpfung nicht nur bis zur Fertigstellung des Objekts, sondern darüber hinaus betrachten. Die Wertkette nach Porter lässt sich hierfür ebenfalls anwenden, indem man sie auf die spezifischen Leistungen in der Betriebsphase ausdehnt (z.B. Primärprozesse eines Facility Managers: Nutzerakquisition, Gebäudebetrieb, Instandhaltung, Mieterservice etc., mit Unterstützung durch IT, Personal, Infrastruktur und Einkauf von Verbrauchsmitteln). Einige Autoren sprechen von einer Lebenszykluskette oder Wertschöpfung über den Lebenszyklus, die integrativ geplant werden sollte. Für einzelne Unternehmen gilt es zu entscheiden, ob sie sich auf bestimmte Phasen spezialisieren oder mehrere Phasen abdecken wollen. Die Wertkettenanalyse hilft hier, die internen Prozesse auf die Anforderungen der gewählten Strategie abzustimmen.

Nachdem wir diese drei Branchenmerkmale beleuchtet haben, soll nun konkret untersucht werden, wie die Wertkette eines Bauunternehmens aussieht. Dabei werden wir sehen, wie Porters allgemeines Modell modifiziert wurde, um den projektorientierten Ablauf, die Einbindung externer Partner und die fehlende Produktentwicklung im Bauunternehmen abzubilden. Anschließend betrachten wir weitere Unternehmensformen der Immobilienwirtschaft und deren Wertketten.

Die Wertkette eines Bauunternehmens

Ein Bauunternehmen – hier verstanden als ausführendes Unternehmen im Hoch- oder Tiefbau – erbringt als Kerntätigkeit die Bauausführung von Projekten. Doch um diese Hauptleistung herum gruppieren sich mehrere vorgelagerte und nachgelagerte Aktivitäten, die in Summe die Wertkette des Bauunternehmens bilden. Basierend auf Untersuchungen von Zimmermann (2016) und den Ausführungen in der vorliegenden Dissertation lässt sich die generische Wertkette eines Bauunternehmens in der folgenden Reihenfolge von primären Aktivitäten darstellen:

  • Akquisition – die Auftragsakquise, d.h. Marketing und Vertriebsaktivitäten, um neue Bauprojekte zu erhalten. Bauunternehmen müssen Ausschreibungen beobachten, Kundenkontakte pflegen und ihre Leistungsfähigkeit vermarkten. Im öffentlichen Sektor geschieht dies formalisiert über Teilnahmen an Ausschreibungen; im privaten Sektor spielt Beziehungsaufbau zu Auftraggebern eine größere Rolle.

  • Angebotsbearbeitung – die Angebotskalkulation und -erstellung. Hat sich eine Projektchance ergeben, erstellt das Bauunternehmen ein Angebot: Es prüft die Ausschreibungsunterlagen, führt Kalkulationen durch (Ermittlung von Mengen, Kosten, Preisen), holt ggf. Angebote von Nachunternehmern ein, und formuliert ein Angebotsschreiben. Diese Phase ist äußerst kritisch, da hier der Grundstein für die Wirtschaftlichkeit des Projekts gelegt wird.

  • Aufklärungs- und Vertragsverhandlungsphase – Gespräche mit dem potenziellen Auftraggeber zur Klärung offener Punkte, Anpassung des Angebots und letztlich Vertragsabschluss. Im öffentlichen Bereich ist diese Phase oft formalisiert (keine Verhandlung im klassischen Sinne, eher Zuschlag oder klärende Bieterfragen). Bei privaten Aufträgen jedoch finden häufig Verhandlungen statt, z.B. über den Preis, über Leistungsumfang, Vertragsbedingungen, Ausführungsfristen usw. Diese Phase entscheidet, ob aus dem Angebot ein Auftrag wird.

  • Leistungserbringung (Bauausführung) – die eigentliche Projektausführung auf der Baustelle. Hierunter fällt die gesamte Organisation und Umsetzung der Bauarbeiten: Baustelleneinrichtung, Materiallogistik, Koordination von Gewerken, Überwachung von Qualität, Kosten und Terminen, ggf. Management von Nachträgen. Die Bauausführung ist das Herzstück, wo das Bauunternehmen den größten Wert schafft, aber auch die meisten Ressourcen verbraucht.

  • Gewährleistung – die Phase nach Fertigstellung, in der das Bauunternehmen für eventuelle Mängel haftet (in Deutschland typischerweise vier bis fünf Jahre nach Abnahme, je nach Vertrag, z.B. nach VOB/B). Während dieser Gewährleistungsfrist müssen auftretende Baumängel vom Bauunternehmen beseitigt werden. Dies ist also eine Nachbetreuungsleistung, die technisch zum Projekt gehört, aber zeitlich in die Nutzungsphase hineinragt.

Diese fünf primären Kategorien bilden die Wertschöpfung eines Bauunternehmens ab und sind weitgehend unabhängig von der Größe oder Spezialisierung des Unternehmens gültig. Ein kleiner Handwerksbetrieb durchläuft sie ebenso (in vereinfachter Form) wie ein großer Baukonzern – der Unterschied liegt im Formalisierungsgrad und Umfang. Wichtig ist das Verständnis, dass Kundendienst und After-Sales bei Bauprojekten eine untergeordnete Rolle spielen. Ist das Bauwerk abgenommen, gibt es keinen kontinuierlichen „Servicebetrieb“ wie etwa bei einem Maschinenbauer, der Wartungsverträge verkauft. Zwar können sich aus einem Projekt Folgeaufträge (etwa Wartungsarbeiten oder Umbauten) ergeben, doch diese gelten wieder als neue Projekte – „die Wertkette beginnt neu“ mit einer frischen Akquise. Das Bauunternehmen konzentriert sich daher vor allem auf das Gewinnen und erfolgreiche Abwickeln von Projekten; eine dauerhafte Betreuung der erstellten Bauwerke ist meist nicht Teil seines Geschäftsmodells (Ausnahmen sind, wie erwähnt, in neueren Modellen möglich, etwa PPP).

Parallel zu den primären Aktivitäten müssen auch beim Bauunternehmen unterstützende Aktivitäten definiert werden. Gemäß Porter gehören dazu Unternehmensinfrastruktur, Personal, Technologieentwicklung und Beschaffung. Im Bauwesen ergeben sich jedoch besondere Interpretationen dieser Support-Funktionen:

  • Unternehmensinfrastruktur: umfasst alle administrativen und steuernden Funktionen des Bauunternehmens – Geschäftsleitung, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Rechtsabteilung, Qualitätsmanagement, strategische Unternehmensplanung etc. Diese Infrastruktur schafft den Rahmen, in dem Projekte akquiriert und abgewickelt werden können, sorgt für Finanzierung, Risikomanagement und allgemeine Unternehmenssteuerung.

  • Personalwirtschaft: Da Bauunternehmen personalintensiv sind, ist das Human Resource Management wesentlich. Es beinhaltet Rekrutierung von Fachkräften (z.B. Bauingenieure, Poliere, Facharbeiter), Weiterbildung (z.B. Schulungen zu neuen Bautechniken oder Sicherheitsstandards), Arbeitsplanung (Einsatzplanung auf Baustellen), Motivation und Entlohnung. Die Herausforderungen liegen u.a. darin, trotz projektweiser Auslastung ein Stammpersonal vorzuhalten und Know-how im Unternehmen zu halten.

  • Technologieentwicklung/Prozessoptimierung: Hier gibt es im Bauwesen einen wichtigen Unterschied zu klassischen Industrien. In produzierenden Unternehmen bezieht sich Technologieentwicklung oft auf Produktinnovation (neue Produkte, neue Funktionen). Im Bauhauptgewerbe jedoch liegt die Produktplanung (Entwurf des Bauwerks) meist beim Auftraggeber bzw. dessen Architekten – das Bauunternehmen hat wenig Einfluss auf die „Produktinnovation“ Gebäude. Stattdessen konzentriert sich die technologische Entwicklung des Bauunternehmens auf Prozessinnovationen: neue Bauverfahren, effizientere Bauabläufe, Einsatz moderner Bautechnik, Digitalisierung (z.B. Building Information Modeling für die Bauausführung), Lean Construction Methoden, prefabrizierte Module etc. All dies fällt unter Prozessoptimierung und Technologie im weiteren Sinne. Durch solche Innovationen kann ein Bauunternehmen Kosten senken oder Qualität/Speed erhöhen und sich so einen Vorteil verschaffen. Auch Arbeitsvorbereitung, Bauablaufplanung und Projektmanagementmethoden gehören hierher.

  • Beschaffung: Im Bau ist die Beschaffung doppelt relevant – es geht um Baumaterialien (vom Betonstahl bis zur Sanitärarmatur) und um Nachunternehmerleistungen. Ein großer Teil der Wertschöpfung kann über Subunternehmen erfolgen (z.B. Elektrotechnik, Gerüstbau, Spezialtiefbau werden oft zugekauft). Die Einkaufsabteilung verhandelt Verträge mit Lieferanten und Nachunternehmern, disponiert Material just-in-time, achtet auf Qualität der Zukäufe und optimiert die Kosten. Effiziente Beschaffung kann deutlich zur Marge beitragen, da Materialkosten typischerweise einen hohen Anteil an den Projektkosten haben. In Porters ursprünglichem Modell wurde Beschaffung als unterstützende Aktivität behandelt, obwohl sie direkt das Inputmaterial betrifft – auch im Bau lässt sie sich als Querschnittsfunktion verstehen, da sie allen Projekten dient.

Abbildung 5-1 in der Dissertation stellt die Wertkette eines Bauunternehmens schematisch mit diesen Elementen dar. Wir haben dieses Bild hier in Worte gefasst: Primäraktivitäten von Akquisition bis Gewährleistung, flankiert von Beschaffung und den anderen Supportfunktionen, wobei Technologieentwicklung als Prozessinnovation interpretiert ist. Ein methodischer Grundsatz nach Esser (1994) lautet dabei „Vollständigkeit vor Detailliertheit“. Das heißt, bei der Zuordnung von Einzelaufgaben zu Wertaktivitäten sollte man darauf achten, dass keine wesentliche Tätigkeit vergessen wird – selbst wenn die Kategorien damit recht allgemein bleiben. Es ist weniger wichtig, jeden Teilschritt fein zu gliedern, als sicherzustellen, dass alle wertschöpfenden Tätigkeiten irgendwo in der Kette abgebildet sind.

Für ein Bauunternehmen ergibt sich somit ein geschlossenes Prozessmodell, das vom ersten Kundenkontakt bis zur abgeschlossenen Gewährleistung alle Kernprozesse enthält. Diese Struktur ist unabhängig von der Art des Bauprojekts (Hochbau, Tiefbau, Ingenieurbau) gültig, wenn auch die inhaltliche Ausgestaltung variiert: Beispielsweise ist bei einem Generalunternehmer für schlüsselfertigen Hochbau die Angebotsbearbeitung komplex (da viele Gewerke kalkuliert werden müssen), während bei einem Spezialtiefbau-Unternehmen der Fokus auf einem Gewerk liegt. Ebenso kann die Akquisitionsmethode unterschiedlich sein (öffentliche Ausschreibungen vs. private Verhandlungen). Die Wertkette als Framework bleibt aber gleich und ermöglicht Vergleiche und Analysen.

Ein paar Besonderheiten noch: Im Bauwesen ist die Übergang zwischen primären und unterstützenden Aktivitäten manchmal fließend. Beispielsweise kann die Beschaffung von Baumaterial als eigene Abteilung (Einkauf) organisiert sein – dann ist sie eindeutig eine unterstützende Aktivität. In kleinen Firmen erledigen Bauleiter die Materialbestellung selbst im Rahmen der Projektabwicklung – hier wäre Beschaffung quasi Teil der „Leistungserbringung“. Die Wahl der Abgrenzung hängt von der Organisationsstruktur ab. Wichtig ist, jede Tätigkeit irgendwo einzuordnen, um nichts unbetrachtet zu lassen. Ein weiteres Beispiel: Die Baustellenlogistik (Anlieferung von Material zur Baustelle, Lagerung vor Ort) könnte man als Teil der Operation (Leistungserbringung) sehen, oder man könnte sie als eine Art „Eingangslogistik“ betrachten. Die hier gewählte generische Kette verzichtet aber auf eine separate Kategorie Eingangslogistik, weil diese integraler Bestandteil der Bauausführung ist – Material kommt an und wird direkt verbaut, ohne länger ins Lager zu gehen, was dem Altobelli/Bouncken-Modell für Dienstleistungen entspricht.

In Summe bietet die beschriebene Wertkette für Bauunternehmen ein Instrument zur Kosten- und Wertanalyse: Man kann jeder Aktivität Kosten zuordnen (z.B. wie viel Prozent der Gemeinkosten entfallen auf Akquisition, wie viel auf Baustellenproduktion etc.). Ebenso kann man hinterfragen, wo sich ein Bauunternehmen vom Wettbewerb abhebt – z.B. hat es eine überlegene Akquisitionskompetenz (führt zu höherer Auftragsquote), eine effizientere Bauausführung (führt zu niedrigeren Kosten oder schnellerer Fertigstellung) oder eine besonders gewissenhafte Gewährleistungsabwicklung (führt zu Kundenzufriedenheit und Folgeaufträgen). Die Wertkettenanalyse deckt solche Stärken und Schwächen systematisch auf. Ferner bildet sie die Grundlage, um Kostentreiber in jeder Aktivität zu identifizieren. Porter hat hierfür generische Kostenanalysemethoden entwickelt, die im Bauwesen adaptierbar sind – beispielsweise zu schauen, welche Faktoren die Kosten der Bauausführung treiben (Standorteffekte, Maschinenauslastung, Lohnniveau, Vertragstyp usw.). Aber diese Tiefe würde hier zu weit führen; wichtig ist, dass die Wertkette als Raster bereitsteht.

Wertkette in Immobilienunternehmen: Entwickler, Investoren, Dienstleister

Der Begriff Immobilienunternehmen ist breit gefächert. Hier sollen exemplarisch zwei wichtige Kategorien betrachtet werden: Projektentwicklungsunternehmen (oft auch Bauträger genannt, wenn sie Wohnungsbauprojekte bis zum Verkauf fertigstellen) und Immobilieninvestoren bzw. -bestandshalter (Unternehmen, die Immobilien im Bestand halten, bewirtschaften und daraus Erträge erzielen, wie z.B. Wohnungsunternehmen, REITs oder Asset-Management-Gesellschaften). Außerdem wird auf Immobiliendienstleister wie Property Manager oder Makler eingegangen, wobei letztere vor allem Vermittlungsleistungen erbringen.

Wertkette eines Projektentwicklers/Bauträgers

Ein Projektentwickler nimmt die erste Phase im Lebenszyklus eines Bauprojekts wahr: Er bringt Grundstück, Idee, Planung, Genehmigung und Finanzierung zusammen, um ein baureifes Projekt zu schaffen, lässt dieses realisieren und verkauft es idealerweise gewinnbringend. Viele Bauträger entwickeln vor allem Gebäude (z.B. Wohnanlagen, Bürogebäude), die sie schlüsselfertig erstellen (lassen) und dann an Käufer veräußern. Die Wertkette eines solchen Unternehmens lässt sich wie folgt skizzieren:

  • Marktbeobachtung und Akquisition von Grundstücken/Projekten: Am Anfang steht die Suche nach Gelegenheiten – ein passendes Grundstück oder Bestandsgebäude mit Entwicklungspotenzial wird identifiziert. Dazu analysiert der Entwickler Markttrends (z.B. Bedarf nach Wohnungen, Büros), Standortqualitäten und führt oft Verhandlungen zum Grundstückskauf. Diese Phase ist vergleichbar mit der Akquisition im Bauunternehmen, aber der "Kunde" ist hier das eigene Unternehmen – man akquiriert Projekte, nicht Bauaufträge von Dritten.

  • Projektkonzeption und Planung: Nachdem ein Grundstück gesichert (oder Optionen darauf erworben) wurde, wird ein Nutzungskonzept entwickelt: Was soll gebaut werden? Wohnungsanzahl, Größe, Standard? Bürokonzept? Hotel? Dazu werden Machbarkeitsstudien erstellt, Architekten und Fachplaner eingebunden. Es entsteht ein Vorentwurf, es werden Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Risikoanalysen durchgeführt. In dieser Phase schafft der Entwickler einen großen Teil des späteren Wertes, denn hier werden wichtige Parameter festgelegt (Qualität, Kostenrahmen). Die Behördenabstimmung und Baurechtschaffung gehört ebenfalls dazu: Bebauungspläne prüfen, Bauanträge einreichen, ggf. Auflagen erfüllen.

  • Finanzierung: Parallel oder nach der Planung muss das Projekt finanziert werden. Entwickler beschaffen Eigenkapital (oft von Investoren oder aus dem eigenen Unternehmen) und Fremdkapital (Bankkredite, Mezzanine-Kapital). Die Finanzierung ist kritisch – ohne sie kein Baustart. Hier ist die Vernetzung mit Finanzpartnern wichtig. Manche Projektentwickler verkaufen auch Anteile des Projekts vorab an Investoren (Forward Deals) oder sichern sich Vorvermietungen, um Finanzierung zu erleichtern.

  • Bauausführung (Realisierung): Viele Projektentwickler vergeben den Bau an Generalunternehmer oder Bauunternehmen. Dennoch ist es Teil ihrer Wertkette, die Bauphase zu steuern: Sie überwachen Termine, Kosten und Qualität aus Bauherrensicht, treffen Entscheidungen bei Planänderungen, koordinieren ggf. mehrere Auftragnehmer. Im Bauträgergeschäft (z.B. Wohnungsbau) gehören oft auch Käuferbetreuung während der Bauzeit dazu (Käufer wählen Ausstattungen etc.). Der Entwickler trägt hier das Projekt- und finanzielle Risiko, während das Bauunternehmen die Ausführung übernimmt. In einigen Fällen haben Entwickler eigene Bauabteilungen – dann verschmelzen Entwickler- und Bauunternehmer-Wertkette teilweise.

  • Vertrieb/Verkauf: Ist das Projekt (oder ein Teil davon) fertiggestellt – oft sogar schon vorher – kümmert sich der Entwickler um den Verkauf der Immobilie bzw. der Einheiten. Bei Wohnungsbauträgern ist der Vertrieb an Endkunden (Wohnungskäufer) ein zentrales Element. Das beinhaltet Marketing (Exposés, Musterwohnung, Anzeigen), Beratungsgespräche, Vertragsgestaltung und Abschluss. Bei gewerblichen Projekten verkauft man häufig an institutionelle Investoren; hier sind Due-Diligence-Prozesse und Verhandlungen mit professionellen Käufern zu managen.

  • After-Sales/Übergabe: Nach Fertigstellung und Verkauf müssen noch Garantiearbeiten koordiniert werden (der Bauträger hat ähnlich wie ein Bauunternehmen Gewährleistungspflichten). Zudem ist die Übergabe an den Endnutzer bzw. den Investor ein Schritt, der geordnet ablaufen muss. Bei Wohnungskäufern ist häufig eine Immobilienverwaltung zur Stelle, die den Betrieb übernimmt – manchmal eine Tochter des Entwicklers.

Die unterstützenden Aktivitäten beim Projektentwickler sind teilweise analog denen des Bauunternehmens: Unternehmensinfrastruktur (inkl. z.B. juristischer Expertise für Verträge, Marketing-Abteilung), Personalmanagement (Projektmanager, Akquisiteure, Verkäufer einstellen und entwickeln), Technologie (Marktanalyse-Tools, Architektursoftware, evtl. BIM-Koordination, aber Produktentwicklung im technischen Sinn ist beschränkt, da ja meist Architekten beauftragt werden) und Beschaffung. Beschaffung bezieht sich hier auf den Einkauf von externen Dienstleistungen: Planungsleistungen, Baufirmen, Makler, ggf. Materialien wenn das Unternehmen direkt bestellt. Ein Bauträger hat also ein ausgeprägtes Partnermanagement – ähnlich dem Bauunternehmen, nur dass der Fokus auf Planer- und Bauverträge liegt statt auf Baumaterial.

Insgesamt ist die Wertkette eines Projektentwicklers stärker auf die frühe Phase und den Abschluss orientiert: Hohe Bedeutung von Marktkenntnis, Konzept und Vertrieb. Die Bauausführung selbst ist oft outgesourct (Verlagerung des Großteils der operativen Arbeit an Bauunternehmen). Damit unterscheidet sich die Kostenstruktur massiv: Ein Bauunternehmen hat hohe direkte Produktionskosten (Material, Löhne auf der Baustelle), während ein Entwickler eher Entwicklungskosten (Planung, Finanzierungskosten, Honorare) und dann Einkaufskosten für Bauleistungen hat. Risikosteuerung und Timing sind Kernkompetenzen in dieser Wertkette.

Ein Beispiel verdeutlicht die integrierte Kette: Die PSP Swiss Property, ein Schweizer Immobilienunternehmen, hat berichtet, dass sie praktisch die gesamte immobilienbezogene Wertschöpfungskette in-house abdeckt – von der Akquisition von Bauprojekten bis zur Veräußerung von Liegenschaften. Das heißt, diese Firma übernimmt Entwicklung, Bauherrenfunktion (managing der Bauphase), Bewirtschaftung und Verkauf komplett selbst. So etwas erfordert eine entsprechend breite Aufstellung in der Organisation (Teams für alle Funktionen), kann aber Synergien bringen: Etwa fließen Erfahrungen aus dem Betrieb zurück in neue Entwicklungen, man behält die Kontrolle über Qualität bis zum Ende und schöpft die Gewinnmargen in mehreren Stufen ab.

Wertkette eines Immobilieninvestors/Bestandshalters

Ein Immobilieninvestor (z.B. Wohnungsunternehmen, Gewerbeimmobilien-AG, Real Estate Investment Trust) erzielt Wertschöpfung, indem er Objekte im Bestand hat und Einkommen generiert (Mieten) bzw. Wertsteigerungen realisiert. Diese Firmen betreiben Immobilien als Geschäft. Ihre primären Aktivitäten unterscheiden sich daher vom Projektgeschäft und vom Bau: Sie liegen v.a. im Asset Management und Property Management:

  • Akquisition von Immobilien: Ein Investor beginnt die Kette, indem er geeignete Objekte ankauft oder eigene Entwicklungen initiiert. Die Akquisitionsphase beinhaltet Marktrecherche, Objektauswahl, Due Diligence (Prüfung Bausubstanz, Mietvertragslage etc.) und den Kaufprozess. Strategische Frage ist: Welche Objekttypen in welchen Lagen passen ins Portfolio? Einige investieren z.B. in Wohnimmobilien, andere in Büros oder Logistikimmobilien. Die Beschaffung von Kapital (Eigen-/Fremdkapital) ist hier ebenfalls Teil der Aktivitäten, ähnlich wie beim Entwickler.

  • Portfolio-/Asset-Management: Auf der übergeordneten Ebene plant das Unternehmen die Bewirtschaftung seines Portfolios. Asset Management bedeutet, für einzelne Immobilien Strategien festzulegen (Halten, Renovieren, Umnutzen, Verkaufen) und deren Performance zu überwachen (Mietertrag, Wertentwicklung). Auch die Umsetzung größerer Maßnahmen (z.B. Sanierungen, Neuvermietung nach Mieterauszug, Repositionierung am Markt) fällt hierunter. Diese Tätigkeit ist analytisch und entscheidungsorientiert – sie schafft Wert durch richtige Strategie je Objekt.

  • Property Management (Immobilienverwaltung): Auf der operativen Ebene werden die Immobilien im Alltag bewirtschaftet. Dazu zählen Vermietung (Mieter aquirieren, Verträge abschließen), Mieterbetreuung (Anliegen der Mieter bearbeiten), Objektpflege (regelmäßige Wartung von technischen Anlagen, Sauberkeit, Sicherheit), Betriebskostenmanagement (Abrechnungen erstellen, Dienstleister steuern für Hausmeisterei, Reinigung, etc.) und Instandhaltung (kleinere Reparaturen beauftragen, größere Sanierungen planen). Ein Teil dieser Leistungen kann intern erbracht werden oder an spezialisierte FM-Dienstleister vergeben sein. Hier entsteht Wertschöpfung durch hohe Mieterzufriedenheit und effizientes Kostenmanagement – beides wirkt sich auf die Nettoeinnahmen und die Wertentwicklung der Immobilie aus.

  • Veräußerung/Exit: Gelegentlich oder planmäßig trennt sich ein Investor von Objekten (Portfolio-Optimierung). Der Verkaufsprozess ähnelt dann wieder dem der Entwickler: Objekt aufbereiten, Käufer finden, Due Diligence des Käufers begleiten, Kaufpreis verhandeln. Für manche Investoren (z.B. offene Immobilienfonds) ist ständiges An- und Verkaufen Teil des Geschäfts, für andere (z.B. städtische Wohnungsunternehmen) ist Halten auf Dauer das Ziel, so dass Verkaufsaktivitäten gering sind.

Unterstützende Funktionen für einen Bestandshalter umfassen Finanzmanagement (extrem wichtig, da Immobilieninvestition kapitalintensiv ist: Finanzierung strukturieren, Zinsmanagement, ggf. Börsenlisting betreuen), IT-Systeme (für Verwaltung, Abrechnung, Flächenmanagement), Rechtsabteilung (Mietrecht, Vertragsmanagement), Personal (v.a. Spezialisten wie Immobilienökonomen, Techniker, Juristen gewinnen) und Marktforschung (gehört zum Teil ins Asset Management, aber kann als separate Unterstützung gesehen werden, um Markttrends zu erkennen).

Ein Investor hat eine im Vergleich zum Bauunternehmen verstetigte Wertschöpfungskette: Er generiert stetig Mieteinnahmen und muss laufend Leistung erbringen (Mieter betreuen, Gebäude instand halten). Somit gleicht seine Kette eher einem klassischen Dienstleister: kontinuierliche Serviceprozesse, ergänzt um Phasen höherer Investitionstätigkeit bei An- und Verkauf oder Projekten im Bestand.

Das strategische Ziel eines solchen Unternehmens ist es, den Lebenszykluswert der Immobilien zu maximieren – also durch geschicktes Management über die Jahre Mieterträge zu steigern und den Objektwert zu erhöhen. Hier spielen primäre Aktivitäten wie Renovierungsprojekte (werden oft als eigene Projekte im Lebenszyklus eingeschoben) eine Rolle, die man analog zur Bau-Wertkette betrachten könnte, nur unter Regie des Investors.

Eine besondere Form sind Unternehmen, die Projektentwicklung und Bestandshaltung kombinieren. Viele größere Immobilienunternehmen haben interne Entwicklungsabteilungen, die neue Projekte initiieren, welche dann im eigenen Bestand bleiben. In diesem Fall ist die Wertkette sehr breit: von der Entwicklung über Bau bis Betrieb alles im Konzern. Das erfordert interne Strukturen, die diese Übergaben managen – z.B. muss die Entwicklungsabteilung auf die Anforderungen der späteren Betreiber Rücksicht nehmen (Stichwort lebenszyklusorientiertes Bauen). Der Vorteil ist, dass man die Qualitätskontrolle über das Endprodukt behält und langfristig denkt (z.B. mehr Anfangsinvestition in Energiespartechnik, weil man selbst von den sinkenden Betriebskosten profitiert).

Beispielsweise könnte man anführen, dass manche deutsche Wohnungsunternehmen ihre Neubauprojekte selbst entwickeln und bauen lassen, um ihren Bestand zu erweitern – die Wertkette umfasst dann Grundstücksakquise -> Projektentwicklung -> Bau (oft an Generalunternehmer vergeben, aber intern gesteuert) -> Vermietung -> Bewirtschaftung. Hier zeigt sich, wie die Grenzen zwischen den vorher getrennt betrachteten Wertketten von Entwickler, Bauunternehmen und Investor verschwimmen, wenn ein Unternehmen vertikal integriert.

Wertschöpfung bei Immobiliendienstleistern

Neben Entwicklern und Investoren gibt es zahlreiche dienstleistungsorientierte Immobilienunternehmen: z.B. Makler, Immobilienberater, Facility-Management-Firmen, Bauprojektsteuerer etc. Jeder dieser Typen hat wiederum eine eigene Wertkette, meist fokussiert auf einen Ausschnitt des Lebenszyklus.

  • Ein Immobilienmakler etwa hat primäre Aktivitäten: Akquisition von Objekten (oder Vermarktungsmandaten), Exposé-Erstellung und Marketing, Besichtigungen (Kunden-Kontaktphase) und Abschluss (Notartermin, Vertragsabwicklung). Unterstützend: lokale Marktkenntnis (Datenbanken), Netzwerkpflege, rechtliches Wissen. Das Produkt ist hier die Vermittlungsdienstleistung.

  • Ein Bau-Projektsteuerer hat primäre Aktivitäten, die einem Bauherren ähnlich sind: Projektplanung (im Auftrag des Bauherrn Zeit/Kosten/Qualität sichern), Koordination von Planern und Baufirmen, Berichtswesen, Risikomanagement. Er verkauft also Management-Leistung. Seine Wertkette würde z.B. Akquisition -> Vertragsgestaltung -> Projektmanagement (Planung und Bauphase begleiten) -> Projektabschluss umfassen, mit Support durch Tools, Personal, Know-how-Management.

  • Facility-Management-Dienstleister übernehmen für Eigentümer das technische und/oder kaufmännische Gebäudemanagement. Ihre Wertkette: Angebotserstellung (um FM-Mandate zu gewinnen) -> Übergangsmanagement (Übernahme eines Objekts vom Vorgänger) -> laufender Betrieb (Wartung, Reparaturen, Reinigungsdienste, Nutzerbetreuung) -> Berichtswesen und ggf. Vertragsende/Übergabe. Unterstützend: Einsatzplanung Personal/Techniker, Helpdesk-IT-Systeme, Schulung etc. Hier steht ganz klar die Serviceerbringung im Vordergrund, Tag für Tag. Die Effizienz dieser Prozesse (z.B. Reaktionszeit auf Störungen, Optimierung der Betriebsführung) bestimmt den Erfolg.

All diese Immobilien-Services zeigen, dass Porters Kategorien teils angepasst werden müssen, aber dennoch anwendbar sind. Nehmen wir den FM-Dienstleister als Beispiel: Für ihn ist Eingangslogistik nur insofern relevant, als er Material für Wartungen beschaffen muss (Ersatzteile, Betriebsmittel) – das läuft über Einkauf. Ausgangslogistik existiert praktisch nicht. Stattdessen hat er Akquisition, eine „Kontaktphase“ (die laufende Leistung beim Kunden vor Ort) und vielleicht eine „Nachkontaktphase“ (bei Vertragsende Objektrückgabe). Die unterstützenden Aktivitäten sind analog zu anderen Serviceunternehmen.

Über alle Immobilienunternehmen hinweg lässt sich festhalten: Die Wertkette nach Porter bietet einen flexiblen Analyse-Rahmen, der mit den richtigen Begriffen gefüllt werden muss. Ein und derselbe Wertschöpfungsschritt kann in verschiedenen Unternehmen anders heißen. Z.B.: „Leistungserbringung“ beim Bauunternehmen heißt Bauen; beim Investor heißt es Bewirtschaften; beim Makler ist es die Vermarktung. Aber stets kann man fragen: was sind meine primären Aktivitäten, die direkt Wert für den Kunden/Unternehmenszweck schaffen, und was sind unterstützende Querschnittsfunktionen?

Strategische Implikationen der Wertkettenanalyse in Bau und Immobilien

Die Anwendung der Wertkette in Bau- und Immobilienunternehmen ist nicht nur eine akademische Übung, sondern soll konkrete strategische Einsichten liefern. Abschließend sollen einige zentrale Implikationen und Nutzen dieser Analyse für Unternehmen der Branche herausgearbeitet werden:

1. Identifikation von Wettbewerbsvorteilen und -nachteilen in einzelnen Aktivitäten:

Die Wertkette erlaubt es, Stärken und Schwächen viel gezielter zu verorten. Anstatt nur global zu sagen „Unternehmen A ist erfolgreich“, kann man erkennen, woher das kommt – etwa weil Unternehmen A überdurchschnittlich gut in der Akquisition ist und sich die lukrativen Aufträge sichert, oder weil es eine sehr effiziente Bauausführung hat (vielleicht durch bessere Prozessmethoden oder motivierteres Personal). Umgekehrt können Schwächen isoliert werden, z.B. ein Bauunternehmen merkt, dass es oft in der Gewährleistungsphase hohe Kosten hat (viele Mängelbeseitigungen) – was auf Qualitätsprobleme in der Ausführung hindeutet. Solche Erkenntnisse sind wichtig, um gezielt gegenzusteuern und Verbesserungsprojekte einzuleiten (z.B. Qualitätsmanagement stärken, Ausbildung, bessere Kontrollen). Im Immobilienbetrieb könnte die Wertkette aufzeigen, dass z.B. die Mieterakquisition schleppend läuft (hohe Leerstandszeiten) – dann wären Marketing und Preissetzung zu prüfen, oder das Produkt (die Immobilie) entspricht nicht dem Marktbedarf.

2. Kostenanalyse und Kostentreiber:

Insbesondere im Baugewerbe, wo häufig über Kostenführerschaft konkurriert wird, kann die Wertkette als Instrument der Kostenanalyse dienen. Man kann die Gesamtkosten eines Projekts oder Unternehmens auf die Wertaktivitäten verteilen und so sehen, wo die größten Brocken liegen. Ein Bauunternehmen wird feststellen, dass z.B. die Leistungserbringung (Bau) den Großteil der Kosten verursacht (Löhne, Material, Gerät), aber auch die Angebotsphase signifikante Vertriebsgemeinkosten verursacht, besonders wenn nur wenige Angebote zu Aufträgen führen (Trefferquote). Durch diesen Befund kann man gezielt nach Kostentreibern suchen: Warum sind die Baustellenkosten hoch? Sind es teure Nachunternehmer (Beschaffung), Ineffizienzen vor Ort (Prozess), schlechte Einkaufsbedingungen (Beschaffung), Wettereinflüsse, Nachträge durch Planungsfehler (Schnittstelle Planer)? Die Wertkettenanalyse bildet auch die Basis, Kostenantriebsfaktoren nach Porter zu untersuchen (Größeneffekte, Lernkurven, Kapazitätsauslastung, Vertikalisierungsgrad etc.) – viele dieser Faktoren sind in Bau und Immobilien relevant. Zum Beispiel: hohe Fixkosten in der Unternehmensinfrastruktur (Verwaltung) drücken die Gesamtkosteneffizienz, wenn das Auftragsvolumen fehlt – das wäre ein Größeneffekt. Oder Fragmentierung (viele Subunternehmer) führt zu höheren Transaktionskosten – das wäre ein Vertikalisierungseffekt. Solche Treiber zu erkennen, hilft bei strategischen Entscheidungen (Expansionspläne, Outsourcing, etc.).

3. Differenzierungspotenziale aufdecken:

Während Kosten im Bau oft dominant sind, gibt es durchaus Möglichkeiten zur Differenzierung, die nicht allein über den Preis läuft. Die Wertkette zeigt, wo man dafür ansetzen kann – nämlich überall dort, wo der Kunde einen Mehrwert wahrnimmt, wenn man es anders oder besser macht als andere. Beispielsweise könnte ein Bauunternehmen sich über eine exzellente Beratungs- und Planungsunterstützung in der Angebotsphase differenzieren (z.B. Value Engineering anbieten, um dem Kunden Einsparpotenziale zu zeigen, was die Chance erhöht, den Auftrag zu bekommen und gleichzeitig dem Kunden Nutzen stiftet). Oder über Termintreue und Geschwindigkeit in der Bauausführung – wenn man durch Prozessinnovationen Projekte schneller fertigstellt, haben Auftraggeber einen Vorteil (früher Nutzen des Objekts). Ein weiteres Differenzierungsfeld ist Nachhaltigkeit und Lebenszyklusorientierung: Ein Entwickler könnte Gebäude errichten, die besonders energieeffizient sind, und dies als Verkaufsargument nutzen, oder ein FM-Dienstleister könnte proaktiv Energiekostenoptimierung als Service anbieten. Die Wertkette hilft, diese Differenzierungsansätze systematisch zu lokalisieren, indem man jede Aktivität fragt: Können wir hier etwas anbieten, was andere nicht bieten? Sei es in Qualität, Schnelligkeit, Flexibilität oder Innovationsgrad.

4. Make-or-Buy-Entscheidungen und optimale Leistungstiefe:

Ein großes strategisches Thema, das aus der Wertkettenbetrachtung hervorgeht, ist die Frage, welche Aktivitäten ein Unternehmen selbst ausführen soll und welche nicht. Wie zuvor diskutiert, ist die Bau- und Immobilienbranche fragmentiert und es gibt Spielraum, mehr zu integrieren oder bewusst schlank zu bleiben. Die Wertkette listet ja alle notwendigen Aktivitäten auf – nun kann das Management entscheiden, ob z.B. Technologieentwicklung im eigenen Haus ausreichend ist oder ob man Partnerschaften braucht (z.B. mit Softwareanbietern, Unis, Startups für ConTech). Oder im Bau: Soll man bestimmte Gewerke selbst ausführen (eigene Kolonnen für Betonbau, eigene Elektromeister) oder alles an Nachunternehmer geben? In der Wertkette könnte man feststellen, dass die Beschaffung von Nachunternehmern häufig Probleme bereitet (Kostenüberschreitungen, Qualitätsstreuung). Daraus könnte die Strategie folgen, kritische Gewerke in-house zu nehmen, um Qualität und Termine besser zu kontrollieren – also Integration. Das hat Klemmer in seinen Wertschöpfungsfeld-Analysen angedeutet: Einige Stufen der Wertschöpfung bringen bei Integration mehr Vorteile als andere. Beispielsweise kann für ein Generalunternehmen die Integration der Planungsleistung (Totalunternehmer) einen Wettbewerbsvorteil bringen, wenn es dadurch bessere Koordination erreicht und Planungsfehler reduziert. Allerdings erhöht das auch das Risiko und erfordert neue Kompetenzen (Architekten einstellen). Die Wertkette macht transparent, was man „dazunehmen“ würde und wo intern neue unterstützende Prozesse nötig würden (z.B. für Planungskoordination). Genauso im Immobilieninvestment: Man könnte überlegen, das Property Management nicht extern zu vergeben, sondern intern zu machen, um näher am Mieter zu sein – oder umgekehrt, falls man feststellt, intern fehlt die Effizienz, outsourct man es. Die Wertkette bildet die Grundlage für solche Entscheidungen, indem sie klar aufzeigt, welche Bausteine es gibt.

5. Verbesserung der Schnittstellen und Kooperationen:

Selbst wenn ein Unternehmen sich gegen Integration entscheidet und viele Partner einbindet, kann es durch die Wertkettenanalyse sehen, wo die wichtigsten Schnittstellen zu externen Wertketten liegen. Beispielsweise merkt ein Bauunternehmen, dass viel Koordinationsaufwand mit Planungsbüros entsteht (z.B. wegen Unklarheiten in Plänen). Hier liegt eine Schnittstelle eigene Wertkette (Leistungserbringung) – externe Wertkette (Planer). Strategisch könnte man diese Verbindung stärken: frühere Einbindung in Planungsprozesse, Planungsdienstleistungen anbieten, digitale Kollaboration (BIM) fördern. Altobelli und Bouncken zeigten am Hotelbeispiel, dass Verflechtungen mit Lieferanten und Vertriebspartnern analysiert werden sollten, um Synergien zu heben. Im Bau heißt das: Partnerschaften mit Schlüssellieferanten (z.B. Betonwerke, Stahlhändler) können die Eingangslogistik und Beschaffung verbessern. Zusammenarbeit mit Vertriebskanälen – im Bau eher selten, außer man denkt an Generalübernehmer, die für Kunden ganze Pakete schnüren – oder mit Abnehmern (z.B. Mieterkonzepte gemeinsam mit Endkunden entwickeln). Insgesamt fördert die Wertkettenperspektive ein prozessübergreifendes Denken: Das Unternehmen sieht sich als Teil eines größeren Prozesses (des Projekterfolgs), was heute in Konzepten wie Integrated Project Delivery oder Allianzmodellen im Bauwesen Ausdruck findet. Die klassische Wertkette war intraorganisational, aber Porter selbst wies auf die Bedeutung von Verknüpfungen mit Lieferanten- und Käuferwertketten hin. Für moderne Bauunternehmen kann es ein Erfolgsfaktor sein, diese Verknüpfungen proaktiv zu managen – das kann von frühzeitiger Einbindung wichtiger Nachunternehmer in die Planung bis zur gemeinsamen Logistikplattform mit Lieferanten reichen.

6. Prozessoptimierung und Reorganisation:

Letztlich ist die Wertkette auch ein Ansatzpunkt für Geschäftsprozessmanagement. Indem alle Prozesse benannt sind, kann man sie auf Notwendigkeit und Effizienz prüfen. Manche Unternehmen erkennen in der Wertkettenanalyse, dass bestimmte Tätigkeiten keinen Wert für den Kunden stiften, aber Ressourcen binden – solche gilt es zu eliminieren oder zumindest zu minimieren (Verschlankung der Prozesse). Andere Prozesse lassen sich automatisieren oder digitalisieren. Beispielsweise war früher die Angebotsbearbeitung sehr manuell; heute gibt es Kalkulationssoftware, die schneller Angebote erstellen lässt – Unternehmen, die darin investieren, können mehr Angebote mit gleicher Mannschaft bewältigen, was ihre Erfolgschancen erhöht. Im Immobilienmanagement gibt es PropTech-Lösungen, etwa automatische Mieterservice-Apps, die das Property Management effizienter machen. Die Wertkette liefert das Gerüst, um solche Initiativen gezielt anzusetzen, indem man z.B. sagt: "Wir verbessern jetzt gezielt die Wertaktivität X mittels Methode Y". Ein Spezialfall der Prozessoptimierung ist die Qualitäts- und Zeitvorteilsanalyse. Porter erwähnte, neben Kosten, auch Zeitvorteile als Wettbewerbsvorteil. Im Bau könnte ein Zeitvorteil bedeuten, schneller zu bauen (für den Auftraggeber wichtig) oder schneller auf Ausschreibungen zu reagieren (höhere Chance den Auftrag zu bekommen). Durch Analyse der Durchlaufzeiten jeder Wertaktivität (z.B. durchschnittliche Angebotsbearbeitungsdauer, Bauzeit pro qm, Reaktionszeit auf Mängelmeldung in der Gewährleistung) kann man sehen, wo Zeitgewinn möglich ist. Strategisch kann ein Bauunternehmen sich als "schneller Builder" positionieren, was – neben dem Preis – ein Verkaufsargument sein kann, insbesondere bei eiligen Projekten.

7. Ausrichtung auf Kundennutzen und strategische Ziele:

Schließlich zwingt das Wertketten-Konzept das Management, darüber nachzudenken, wie jede Aktivität zum Kundennutzen oder zum Unternehmenserfolg beiträgt. Im Bau/Immobilienbereich sind die Kunden vielfältig – vom öffentlichen Auftraggeber über private Bauherren bis zu Mieter oder Käufer. Die Wertschöpfungslogik sollte stets den Kundenfokus behalten: etwa "Worin liegt die Wertschöpfung eines Bauunternehmens?" – diese Frage wurde in der Dissertation gestellt. Die Antwort zeigt sich in der Wertkette: Wert wird geschaffen, indem das Unternehmen die Bedürfnisse des Bauherrn erfüllt (Termin, Qualität, Kosten) durch die Koordination und Ausführung der Bauprozesse. Ebenso beim Immobilienverwalter: Wert entsteht, wenn Mieter zufrieden sind und Immobilien ihren Zweck optimal erfüllen. Eine Tätigkeit, die nicht auf diesen Nutzen einzahlt, ist zu hinterfragen. Porters Ansatz war ja ursprünglich, Wettbewerbsvorteile zu finden – diese liegen letztlich darin, entweder günstiger zu produzieren bei gleichem Nutzen (Kostenführer) oder einen höheren Nutzen zu bieten (Differenzierung). Die Wertkette zeigt die Quellen beider Ansätze im Detail. Das ermöglicht einem Bau- oder Immobilienunternehmen, seine Strategie klarer zu formulieren: Z.B. "Wir setzen auf Kostenvorteil durch standardisierte Bauprozesse und schlanke Administration" – dann wird man jede Wertaktivität auf Verschwendung trimmen. Oder "Wir setzen auf Differenzierung durch umfassenden Service: von Planung bis Wartung alles aus einer Hand" – dann muss man vielleicht zusätzliche Aktivitäten internalisieren (Planung, Wartung) und diese hervorragend ausführen, auch wenn Kosten etwas höher sind.

Zusammenfassung

Die Wertkette nach Michael Porter erweist sich – mit den gebotenen Anpassungen – als äußerst nützliches Werkzeug zur strategischen Analyse von Bau- und Immobilienunternehmen. In diesem Buch haben wir ausführlich dargestellt, wie die Wertkette strukturiert ist und welche Aktivitäten sie umfasst. Wir haben den Unterschied zwischen der unternehmensbezogenen Wertkette und der branchenweiten Wertschöpfungskette betont und gesehen, dass gerade in der Bau- und Immobilienwirtschaft diese Unterscheidung wichtig ist, da hier eine lange, arbeitsteilige Wertschöpfungskette vom Projektbeginn bis zum Lebenszyklusende eines Bauwerks existiert.

Durch die Betrachtung der besonderen Branchenmerkmale – Projektorientierung, Fragmentierung und langer Lebenszyklus – wurde deutlich, welche Herausforderungen bei der Anwendung des Wertkettenmodells zu bewältigen sind. Die Projektorientierung bedeutet, dass Unternehmen immer wieder neu ihre Prozesse pro Auftrag durchlaufen müssen, was Flexibilität erfordert, aber dank Wertkettenanalyse systematisiert werden kann. Die Fragmentierung zeigt uns, wie wichtig Schnittstellenmanagement und Entscheidungen über Leistungsumfang (Make-or-Buy) sind; die Wertkette hilft, die eigene Rolle im Gefüge zu verstehen und gezielt Integrations- oder Kooperationsstrategien zu entwickeln. Der lange Lebenszyklus schließlich macht deutlich, dass kurzsichtige Betrachtung zu suboptimalen Ergebnissen führen kann – hier kann die Wertkette über die Phasengrenzen hinausdenken und so Konzepte der lebenszyklusweiten Optimierung vorbereiten (z.B. durch Einbezug von Betriebs- und Entsorgungskosten bereits in der Planung).

Für Bauunternehmen haben wir eine konkrete Wertkette von der Akquise bis zur Gewährleistung abgeleitet und gesehen, wie diese Unternehmen vor allem prozessorientierte Dienstleister sind, die sich durch Prozessinnovationen und effiziente Koordination einen Namen machen können. Für Immobilienunternehmen haben wir verschiedene Typen beleuchtet – vom Entwickeln und Bauen bis zum Betreiben und Verwalten – und festgestellt, dass Porters Kategorien flexibel genug sind, um all diese abzubilden, solange man sie korrekt interpretiert. Entscheidend ist, dass jedes Unternehmen die Wertkette auf die eigene Wertschöpfungslogik anpasst: ein FM-Dienstleister hat andere primäre Aktivitäten als ein Bauausführer, aber beide können und sollten die Systematik nutzen, um ihre Abläufe zu durchleuchten.

Die strategischen Erkenntnisse aus der Wertkettenanalyse sind vielfältig: Von Kostensenkungspotenzialen über Differenzierungsmöglichkeiten bis zur Frage der optimalen Wertschöpfungstiefe. Gerade in einer Zeit, in der die Bau- und Immobilienbranche mit Herausforderungen wie steigendem Kosten- und Wettbewerbsdruck, Fachkräftemangel, Digitalisierung und Nachhaltigkeitsanforderungen konfrontiert ist, bietet die Wertkettenperspektive einen geordneten Rahmen, um Veränderungen anzugehen. Sie zwingt dazu, das Unternehmen als Ganzes zu betrachten, aber gleichzeitig in seine essenziellen Bausteine zu zerlegen. Dadurch können Manager und Ingenieure besser kommunizieren, wo Handlungsbedarf besteht, und Studierende können lernen, die Komplexität eines Bau- oder Immobilienprojekts strukturiert zu analysieren.

Abschließend lässt sich sagen: Die Wertkette nach Porter ist kein starres Schema, sondern ein Denkmodell, das in der Bau- und Immobilienwirtschaft lebendig interpretiert werden muss. Wenn man die besonderen Eigenschaften der Branche berücksichtigt, wird aus der Wertkette ein leistungsfähiges Werkzeug, um Bau- und Immobilienunternehmen strategisch zu führen. Es hilft, den Fokus auf die Aktivitäten zu richten, die echten Wert schaffen – für den Kunden und damit letztlich auch für das Unternehmen selbst. In einer Branche, in der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg die Regel ist, erinnert uns das Konzept zudem daran, dass Wettbewerbsfähigkeit nicht nur im eigenen „Segment der Kette“ entsteht, sondern im Zusammenspiel mit Lieferanten und Kunden im gesamten Wertsystem. Unternehmen, die dies verstehen und ihre Wertkette entsprechend ausrichten, werden besser gerüstet sein, langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Letztlich gilt: Nur wer seine Prozesse und deren Wertbeitrag genau kennt, kann im harten Wettbewerb der Bau- und Immobilienwirtschaft bestehen und sich erfolgreich positionieren. Mit Porters Wertkette steht dafür ein bewährtes Instrument bereit, das – richtig angewandt – wertvolle Orientierung bietet.

Quellen: Christoph J. Gottanka (2017),  Klemmer (1998), Altobelli & Bouncken (1998),  Porter (diverse Werke), Vrijhoef & de Ridder (2007). 

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